Anders als erwartet

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Lev lebt in einem Dorf in Rumänien, ist deutsch, rumänisch, ungarisch, österreichisch. Fühlt sich nirgendwo zugehörig, auch nicht in seine Familie, in die er als Nachzügler geboren wurde. Nur in Kato hat er eine Art Heimat gefunden, doch sie ist weg und tingelt durch die Welt. Nach Jahren besucht er sie, aber da ist diese Distanz, die schon länger vorherrschte.
In „Lichtungen“ von Iris Wolff geht es weniger um die Freundschaft zwischen Kato und Lev als ich erwartet habe, sondern eher um die prägnanten Punkte in Levs Leben und zwar rückwärts. Kato spielt dabei eine wichtige Rolle, allerdings eher durch ihre Abwesenheit.
Die Geschichte an sich, Levs Geschichte, ist wie viele anderen, doch er selbst ist bemerkenswert. Er ist feinfühlig und sensibel in einer Welt und Zeit, die hart ist. Er hatte es nicht leicht. Mit jedem weiteren Kapitel erfährt man mehr davon, aber nicht das macht diesen Roman besonders, sondern die Leerstellen die Iris Wolff in ihren gut gewählten Worten lässt.
Leider hatte ich etwas anderes erwartet. Der Fokus liegt allein auf Lev, was nicht unbedingt schlecht ist, aber doch eintönig wird, zumal schon am Anfang bestimmte Geschehnisse eingestreut werden, die durch das Rückwärtserzählen zwar konkretisiert werden, jedoch nicht überraschen. Die Familiendynamik ist interessant, aber auch nichts neues. Manchmal war ich unsicher, warum etwas erzählt wurde und vielleicht hätte mir die Geschichte chronologisch besser gefallen. Dennoch hat mich das Buch so gefesselt, dass ich es nicht abgebrochen habe.
Der Blick nach Rumänien war für mich neu und das Gefühl nicht dazuzugehören, hat mich abgeholt. Ebenso hat die Sprache vieles wett gemacht. Sie ist zart und mitfühlend. Sie hat etwas leichtes, obwohl der Inhalt es nicht ist.
Auch wenn „Lichtungen“ mich nicht umgehauen hat, werde ich auf jeden Fall einen Blick in Iris Wolffs hochgelobten Roman „Die Unschärfen der Welt“ werfen, denn sie hat mich mit ihrem Schreiben berührt.