Bäume sterben wachsend

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owenmeany Avatar

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Diese bewegende Geschichte einer jungen Liebe in Rumänien irritiert schon zu Beginn durch seine Anlage: sie wird nämlich rückwärts erzählt. Das ist nicht ganz ungewöhnlich und hat Mahlke mit dem "Archipel" den Deutschen Buchpreis eingebracht, erfordert aber verstärkte Konzentration beim Leser. Warum mutet die Autorin uns so etwas zu?

Es ist wie ein Graben nach Wurzeln, die Zeit steht wie eine Last im Raum. Man wird nicht weitergetrieben durch die Spannung "Wie geht es weiter?", sondern durch das Rätsel "Warum verhält sich alles so, wie es ist?".

Dies alles entwickelt Wolff in poetischen Bildern, Momentaufnahmen, wie Holzschnitte aneinandergesetzt. Wenn man ganz genau hinschaut und die Motive über die Episoden hinweg verfolgt, wie z.B. den Schlüssel und das Fahrrad, erkennt man bedeutungsschwangere Subtilitäten. Während man wie im Countdown Kapitel an Kapitel reiht, hat man das Gefühl, in einen Trichter zu fallen, weil sich die gesellschaftlichen Verhältnisse immer mehr verengen, je weiter man in die Vergangenheit gelangt.

Das hängt stark mit der politischen Verfassung Rumäniens zusammen, von der man aber nur indirekt erfährt, inwieweit sie sich auf die privaten Beziehungen auswirkt, z.B. die Flucht des Großvaters nach Österreich. In diesem Rahmen entwickelt sich die Verbindung von Kato und Lev bis zum Happy End am Anfang, ein Auf und Ab zwischen Nähe und Distanz. Sehr konzentriert beschreibt Wolff nur das Wesentliche, oft aber auch das nur in Andeutungen, mit viel Raum für die eigenen Gedanken der Leser. Stark beeindruckt hat mich das Kapitel mit Levs Läuterung im Wald.

Würde man dasselbe Leben in der gewohnten Reihenfolge darstellen, gewönne der Leser bald den Eindruck, die Personen, die er aufwachsen sieht, zu kennen. So bleibt jederzeit ein Stück Fremdheit, das nachdenklich macht.

Das ist alles andere als ein Schmöker zum Verschlingen, sondern ein anspruchsvolles Buch für nachdenkliche Leser, das man sich Wort für Wort auf der Zunge zergehen lassen muss.