Fragil gezeichnete Liebe

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Kato und Lev sind seit ihrer Kindheit in Rumänien befreundet, vielleicht ist da auch mehr zwischen ihnen, so genau kann man das nicht sagen, denn im ersten Kapitel von Iris Wolffs neuem Roman treffen sie sich das erste Mal seit langer Zeit wieder. Lev ist zu Kato nach Zürich gereist, gemeinsam fahren sie für mehrere Wochen durch Europa. „Für ihn war diese Reise ein Aufbruch, für sie ein Übergang, vielleicht sogar Abschluss. Und doch hatten sie sich in diesen gegensätzlichen Bewegungen wiedergefunden.“
Wolff hat für diesen Roman eine ungewöhnliche Form gewählt, sie erzählt ihn nämlich rückwärts und legt dabei Schicht um Schicht ein weiteres Stück der gemeinsamen Geschichte der beiden Protagonist:innen frei. Die Erzählung beleuchtet bestimmte Ereignisse der Vergangenheit, die helfen können, die Gegenwart zu erklären. Lev und Kato sind während des Ceaușescu-Regimes aufgewachsen, haben unter der Willkür des Systems gelitten und sind doch unterschiedlich damit umgegangen. Während Kato das Land verlassen hat, kaum dass das möglich war, ist Lev geblieben – aus Liebe zum Land, aber auch aus Rücksicht auf seine Familie. Dabei war er immer auch mehr im Dazwischen zu Hause, mit einer siebenbürgischen Mutter und einem rumänischen Vater sowohl kulturell als auch sprachlich anders als die restlichen Dorfbewohner:innen. Doch Zwischenräume eröffnen auch Möglichkeiten, die eigene Identität ist fluider und vielleicht auch freier. Die politischen Ereignisse der Zeit bilden ein leises Hintergrundrauschen, sie sind wahrnehmbar, aber nur am Rande wichtig. Im Mittelpunkt stehen die Figuren, ihre Verbundenheit und ihre Interaktion mit ihrer Umgebung und den sie umgebenden Menschen. Das ist sprachlich poetisch und zart beschrieben, durch die rückwärtsgerichtete Erzählweise werden Eigenheiten erklärt und die Personen treten deutlicher zutage. Trotzdem lässt Iris Wolff vieles in der Schwebe, doch das, was sie beleuchtet, reicht aus, um ein Gefühl für die beiden zu bekommen, sie näher an sich heranzulassen. Wie auch schon die ersten beiden Romane der Autorin habe ich auch diesen wieder sehr gern gelesen, Iris Wolff ist definitiv eine meiner liebsten deutschsprachigen Autor:innen!