Komplex erzählter, eindrücklicher Roman

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simonef Avatar

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Dieser Roman - mein erster von Iris Wolff - lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits mochte ich den Schreibstil sehr, die Sprachbilder, die einfühlsame und behutsame Erzählweise, die mir einen Eindruck von Levs Gefühlswelt und der Stimmung in Rumänien zur Zeit Ceausescus und auch nach dem Zusammenbruch des Regimes gibt. Auch das Hin- und Hergerissensein bzw. die Identitätssuche als Deutsch-Rumäne in Siebenbürgen ist sehr eindrücklich beschrieben. Auf der anderen Seite hatte ich meine Schwierigkeiten mit der besonderen Erzählweise, welche die Geschichte zeitlich rückwärts entwickelt, mit dem Wiedersehen von Lev und Kato nach Jahren beginnt und schrittweise in die Kindheit zurückgeht, wobei selbst innerhalb einzelner Kapitel zusätzliche Zeitsprünge in Rückblenden oder Erinnerungen eingebaut sind. Dies beeinträchtigt den Lesefluss, da ständig Personen vorkommen, deren Verhältnis zu Lev man erst im Laufe der Geschichte einordnen kann und die zunächst "in der Luft hängen". Auch den emotionalen Zugang zu den Figuren erschwerte es mir erheblich und führte dazu, dass ich ständig zurückblättern und Passagen nochmal lesen musste, um mir ein vollständiges Bild machen zu können.

Ich lese sehr gerne komplexe Romane (etwa von Jonathan Lee) und bin gerne bereit, mich auf neue Erzählweisen einzulassen. Insofern empfand ich "Lichtungen" durchaus als bereichernd. Dennoch blieb das Lesevergnügen etwas auf der Strecke. "Lichtungen" ist für mich ein Roman, den man am besten zweimal lesen sollte, da man dann nach dem ersten Durchgang bereits die Figurenkonstellation und den Handlungsrahmen kennt und beim zweiten Mal sicher einen besseren Blick für die Details haben wird.