Nur einzelne Lichtungen in all der Dunkelheit

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herrfabel Avatar

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Für Iris Wolffs Roman "Lichtungen" habe ich mich mal wieder viel zu schnell von anderen begeistern und beeinflussen lassen, denn eigentlich merkte ich bereits bei "Die Unschärfe der Welt" dass ihr Schreibstil und die Aneinanderreihung von Gedanken bei mir nicht das auslösen, was andere dabei empfinden. Und so hatte ich dann auch recht schnell mit "Lichtungen" so meine Probleme. Die vordergründig thematisierte Freundschaft zwischen Lev und Keto, die seit Kindertagen besteht und sie nun über die Grenzen hinaus durch Europa begleitet, die Straßenkunst und die Begeisterung füreinander hatten es mir gerade in den ersten Kapiteln besonders angetan. Doch durch Wolffs Aufbau und die Art der Rückwärtserzählung, musste ich bald feststellen, dass eben jene Szenen die ersten und letzten ihrer Art sein werden.

"In allem gab es diese Dunkelstellen, wo die Erfahrung aufhörte und die Erinnerung anfing. Etwas blieb, und etwas ging verloren, manches schon im Augenblick des Geschehens, und wie sehr man sich auch bemühte, es tauchte nie wieder auf. Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand. Die eindrücklichsten Momente, das, was sich nicht verlor, gehörte einem nie alleine."

... sind vielleicht die treffendsten Zeilen die diesen Roman beschreiben. Diese Geschichte lebt von den gemeinsamen Erinnerungen, von den Lichtblicken und Gedankensplittern, von kurz aufblitzenden Ereignissen der Geschichte, wie das Unglück in Tschernobyl, die beim Lesen weitere Erinnerungen hervorrufen und eine zeitliche Einordnung ermöglichen.
Gerne denke ich an diesen Moment zurück, als Kato, begleitet von einem goldfarbenen Pantomimen, ein Bild auf die Straße malt und Lev sie dabei beobachtet und die Kunst eine ganz neue Perspektive gewinnt, fast schon eine Verbindung zwischen Künstlerin, Straße und dem normalen Leben eingeht. Alles andere drum herum verwischt, bis auf ein paar Postkartenmomente und Umschreibungen. Die Rückwärtserzählung machte es noch zusätzlich schwieriger für mich einen gewissen Lesefluss aufrecht zu erhalten. Nach jedem Kapitel ein Neuanfang, ein weiterer losgelöster Moment, wenn man so will, in ihrer beider Geschichte.

"Die Kunst war ein Spiel zwischen Zeigen und Verbergen. Das Leben auch? Es gab das Sichtbare und das Unsichtbare, und nur das Wenigste kam überhaupt ans Licht. Manches konnte man in sich verstecken, bis man vergaß, dass es einmal gewesen war. Anderes nicht."

Und diese Kunst beherrscht Wolff wirklich gut. Viele wohlklingende Sätze und 'Lichtungen' reihen sich aneinander und doch hatte ich stets das Gefühl die Geschichte kaum greifen zu können, Wesentliches nicht zu wissen bzw. dieses Wesentliche mir erst mühsam erarbeiten zu müssen. Und da verlor sich meine Begeisterung. Auch der große Aha-Moment blieb für mich aus, einzig ein irgendwie wärmendes Gefühl zwischen all dem Beschriebenen blieb zurück. Man frage mich nicht, was genau ich gelesen habe oder ob ich die Geschichte wirklich verstanden habe. Ich würde sagen, einzelne Erinnerungen sind noch da, alles andere liegt schon wieder im Dunkeln verborgen und das finde ich dann sehr schade, zumindest hatte ich mir mehr erhofft.