Reise in die Vergangenheit

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Iris Wollf erzählt in ihrem neusten Roman "Lichtungen" die Geschichte einer einzigartigen und, auf ihre Weise, ganz besonderen Freundschaft.
Die beiden Protagonisten, Lev und Kato leben in einem kommunistischen Rumänien, mit engen Tradition, Denkweisen, Verpflichtungen und wenig Raum für Freigeist. Als der 11 jährige Lev nach einem schweren Unfall über längere Zeit ans Bett gefesselt ist, schickt man die allseits gemiedene Kato, ihm den versäumten Schulstoff vorbei zu bringen. Anfänglich nicht von Begeisterung geprägt, entwickelt sich zwischen den beiden schon bald eine enge Freundschaft. Diese findet in ihrer gewohnten Nähe ein baldiges Ende, als sich die europäischen Grenzen öffnen und die junge Kato gemeinsam mit dem Hamburger Tom, der mit dem Fahrrad nach Siebenbürgen gekommen ist, in den Westen absetzt. Einige Jahre besteht zwischen den beiden Protagonisten kein Kontakt, bis Kato, die sich als Straßenkünstlerin durchschlägt, beginnt Lev selbst gezeichnete Postkarten von ihren Standorten zu schicken. Die letzte Karte, an den Waldarbeiter Lev, enthält nur einen einzigen Satz "wann kommst du".
Das Besondere an diesem Werk ist, dass die Geschichte der beiden rückwärts erzählt wird, wie eine Reise in die Vergangenheit - zum Ursprung der Freundschaft zwischen Lev und Kato. Wollfs feiner, zarter Schreibstil fesselt den Leser auf der einen Seite, auf der anderen wirft er, durch Leerstellen, viele Fragen auf. Wenngleich es interessiert erscheint, mit dem alten Rumänien in eine andere Zeit abzutauchen, so wäre der Leser mit einem tieferen Hintergrundwissen, gut bedient. So besonders die Freundschaft der beiden Protagonisten dargestellt wird, so sehr hätte ich mir mehr über Kato zu erfahren gewünscht, denn das Werk begleitet vielmehr Lev auf seinem Lebensweg und reißt die Verbindung und Entwicklung von/ zu Kato nur immer wieder an. Erst am Ende steht die Freundschaft und ihr Beginn im Zentrum des Geschehens. Für mich sind einige Fragen und Platz für eigene Interpretationen offen geblieben, dennoch ist es eine gute Leseempfehlung.