Rückwärts

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aischa Avatar

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An Iris Wolffs neuestem Roman fällt zunächst die ungewöhnliche Form auf: Die Liebesbeziehung zwischen der jungen Künstlerin Kato und Lev, ihrem Freund aus Kindestagen, wird nicht wie gewohnt chronologisch erzählt, sondern beginnt in der Gegenwart und führt von Kapitel zu Kaptitel rückwärts, weiter in die Vergangenheit. Beide sind als Rumäniendeutsche in Siebenbürgen aufgewachsen, haben den Wandel der sozialistischen Republik in einen diktatorisch-kommunistischen Staat erlebt, sind aber höchst unterschiedlich mit der 1990 plötzlich gewonnenen Freiheit umgegangen.

Der Roman ist mehr als eine Liebesgeschichte, nahezu nebenbei, fast unbemerkt erzählt Wolff von den Auswirkungen der großen Politik auf die kleinen Leute, vom Nuklearunfall im Atomkraftwerk Tschernobyl oder der im Rückblick reichlich skurril anmutenden Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland Diktator Nicolae Ceaușescu einst das Bundesverdienstkreuz verliehen hatte. Besonders wird die Geschichte auch dadurch, dass sie das Augenmerk darauf richtet, wie es sein mag, sich in der eigenen Heimat fremd zu fühlen und nicht zuletzt, ob Mehrsprachigkeit Fluch oder Segen sein kann, nicht nur, aber auch in Beziehungen. Gut gefallen mir die Zitate, die den Kapiteln vorangestellt sind. Jedes ist in einer anderen Sprache und kann so als Reminiszenz an unsere polyglotte Gesellschaft gelesen werden.

Wolff schreibt zart und poetisch, vieles wird nur angedeutet, manches bleibt ungesagt. Es ist ein Roman der leise daherkommt, darum aber nicht weniger Gehör findet.