Vom Bleiben und Gehen

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petris Avatar

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Iris Wolff hat mich mit ihrem Roman „Die Unschärfe der Welt“ über eine Familie im Banat völlig begeistert. Deshalb wurde ich auch auf ihren aktuellen Roman aufmerksam. Wieder steht im Mittelpunkt ein Protagonist, der Vorfahren in der deutschsprachigen Minderheit hat. Lev ist noch zur Zeit der Diktatur geboren, ist jung, als die Grenzen geöffnete werden. Er ist aber einer, der bleibt. Bis er sich endlich überwindet und Kato in der Schweiz besucht und mit ihr nach Frankreich fährt.
Damit startet der Roman. Das Wiedersehen, die Begegnung von Kato und Lev, beide jung, aber nicht mehr ganz jung. Sie ist Künstlerin, verdient ihr Geld als Straßenmalerin, er arbeitet in Rumänien für ein Sägewerk. Es hat so lange gebraucht, bis die Zeit reif wurde, dass er zu ihr fährt. Und das, obwohl sie seit ihrer Kindheit eng verbunden sind. Sie sind zusammen zur Schule gegangen, sie waren sich sehr nahe, aber Kato wollte Freiheit, Lev bleiben.
Sprachlich und thematisch ist der Roman ein großer Genuss. Wir erfahren viel über die Vielfalt der Kulturen in Rumänien, die wechselhafte Geschichte, über den Alltag, was die Menschen bewegt. Wir lernen Lev in unterschiedlichsten Lebenslagen kennen, seine Gedanken, das, was ihn beschäftig. Aber auch Nebenfiguren werden lebendig gezeichnet und erzählen spannende Geschichten.
Der Roman wird nicht chronologisch erzählt, es gibt Zeitsprünge vor und zurück. Und auch viele Auslassungen. Geschichten werden anerzählt, aber nicht zu Ende geführt.
Hier liegt für mich auch der Kritikpunkt. Ich mag es, wenn nicht chronologisch erzählt wird, aber hier fand ich es oft schwer einzuordnen und mitzukommen, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Und auch die Lücken waren mir zu groß. Ein wenig mehr an Zusammenführung der Erzählfäden hätte ich mir gewünscht.
Dennoch ein sehr schön erzählter, schön zu lesender Roman! Ein guter Start ins Bücherjahr 2024!