Von Freundschaft und der Suche nach der eigenen Identität
Maramuresch, im Norden Rumäniens: Lev und Kato sind seit Kindheitstagen eng miteinander befreundet. Doch nach dem Ende des Ceauşescu-Regimes trennen sich ihre Wege. Während Kato gemeinsam mit ihrem Freund Tom als Straßenkünstlerin durch Europa zieht, sieht sich Lev noch nicht bereit, die Heimat zu verlassen. Als ihn eines Tages eine Nachricht von Kato erreicht, gerät er ins Grübeln. Der Inhalt: die drei folgenschweren Worte "Wann kommst du?"
Was hält eine Freundschaft aus, wenn einer den anderen verlässt? Wie viele Verluste kann man ertragen? Und wie definiert man eigentlich Heimat? Von diesen und anderen bedeutsamen Fragen schreibt Iris Wolff in ihrem neuen Roman "Lichtungen", der kürzlich bei Klett-Cotta erschienen ist.
Kennt man mehrere Werke der siebenbürgischen Autorin, sticht einem das Herzensthema Iris Wolffs unmittelbar ins Auge. Es ist der Umgang mit der Heimat, das Finden der Identität, die Auseinandersetzung mit der Sprache. So war es beispielsweise in "So tun, als ob es regnet" und so ist es auch in "Lichtungen". Protagonist Lev ist dabei eine Art Prototyp dieser Zerrissenheit, er ist die Minderheit innerhalb einer Minderheit. Da gibt es die siebenbürgisch-sächsische Mutter, den rumänischen Vater und den österreichischen Großvater. Und während Großvater Ferry, die wohl schillerndste Figur des Romans, glaubt, Zugehörigkeit sei vielleicht nichts anderes als eine Entscheidung, kann oder will Lev genau diese nicht treffen. "Er verweigerte sich der Zuteilung in Deutsch oder Rumänisch", schreibt Wolff fast ein wenig lapidar relativ früh im Roman und setzt im Hinblick auf ihre Hauptfigur damit gleich einmal ein Ausrufezeichen.
Eine Überraschung im Hinblick auf die Erzählstruktur erfährt man sogar noch früher, denn "Lichtungen" beginnt mit Kapitel neun - und wird rückwärts erzählt. Wer sich nun etwas erschrocken an Inger-Maria Mahlkes Buchpreis-Gewinner "Archipel" erinnert, dem sei zur Beruhigung gesagt: Bei Iris Wolff funktioniert dieses rückwärtsgewandte Erzählen gut und gibt "Lichtungen" einen Originalitätsbonus, denn diese Art des Erzählens ist noch immer selten. Wobei der Roman gleichzeitig auch die Grenzen dieser Erzählart offenlegt. Denn tatsächlich gehen einige Nebenfiguren zu Beginn des Buches ein wenig unter, weil man sie als Leser:in schlicht noch nicht auf dem Schirm hat und sie erst viel später besser kennenlernt. Zudem nährt sich die Spannung nicht wie sonst üblich aus dem fortschreitenden Verlauf der Handlung, sondern aus dem Wissen, was bereits geschehen ist und wie es dazu kommen konnte.
Sprachlich glänzt "Lichtungen" durch die Mischung aus Poesie und feinsinniger Empathie der Autorin. Diese ist einerseits im liebevollen Umgang mit ihren Figuren zu erkennen, vor allem aber auch in den Szenen, in denen sich Lev als eine Art Anti-Kato auf den Weg in das Land Rumänien hineinbegibt, während Kato durch Europa reist. Die Menschen, Farben und Stimmungen, die Wolff hier beschreibt, sind nichts anderes als eine literarische Liebeserklärung an dieses vielfältige Land. Es sind ohnehin vor allem die leisen und melancholischen Momente, die sprachlich überzeugen und darüber hinwegsehen lassen, dass einige Szenen und poetischen Vergleiche vielleicht etwas zu bedeutungsschwer geraten sind.
Die titelgebenden "Lichtungen" sind die jeweiligen Erinnerungen, die dem Roman die inhaltliche Struktur vorgeben. So reisen wir gemeinsam mit dem anfangs erwachsenen Lev und dessen Wiedersehen mit Kato in Zürich zurück bis zum fünfjährigen Lev und einem ganz besonderen Moment mit seinem Vater, der dem Buch einen sprachlich und inhaltlich krönenden Abschluss bietet. Ohnehin sind es die einzelnen Szenen, die inhaltlich überzeugender sind als der Roman in seiner Gesamtheit. Die eigentliche Geschichte ist nämlich nicht sonderlich überraschend, muss sie aber vielleicht auch gar nicht sein, wenn sie insgesamt so warmherzig erzählt wird, wie es Iris Wolff gelingt.
"Lichtungen" ist insgesamt ein vor allem sprachlich gelungener Roman über Freundschaft, Liebe, Verlust und Identität, der zwar nicht ganz die Intensität von "So tun, als ob es regnet" erreicht, derselben Zielgruppe aber ohne Wenn und Aber ebenfalls gefallen sollte.
Was hält eine Freundschaft aus, wenn einer den anderen verlässt? Wie viele Verluste kann man ertragen? Und wie definiert man eigentlich Heimat? Von diesen und anderen bedeutsamen Fragen schreibt Iris Wolff in ihrem neuen Roman "Lichtungen", der kürzlich bei Klett-Cotta erschienen ist.
Kennt man mehrere Werke der siebenbürgischen Autorin, sticht einem das Herzensthema Iris Wolffs unmittelbar ins Auge. Es ist der Umgang mit der Heimat, das Finden der Identität, die Auseinandersetzung mit der Sprache. So war es beispielsweise in "So tun, als ob es regnet" und so ist es auch in "Lichtungen". Protagonist Lev ist dabei eine Art Prototyp dieser Zerrissenheit, er ist die Minderheit innerhalb einer Minderheit. Da gibt es die siebenbürgisch-sächsische Mutter, den rumänischen Vater und den österreichischen Großvater. Und während Großvater Ferry, die wohl schillerndste Figur des Romans, glaubt, Zugehörigkeit sei vielleicht nichts anderes als eine Entscheidung, kann oder will Lev genau diese nicht treffen. "Er verweigerte sich der Zuteilung in Deutsch oder Rumänisch", schreibt Wolff fast ein wenig lapidar relativ früh im Roman und setzt im Hinblick auf ihre Hauptfigur damit gleich einmal ein Ausrufezeichen.
Eine Überraschung im Hinblick auf die Erzählstruktur erfährt man sogar noch früher, denn "Lichtungen" beginnt mit Kapitel neun - und wird rückwärts erzählt. Wer sich nun etwas erschrocken an Inger-Maria Mahlkes Buchpreis-Gewinner "Archipel" erinnert, dem sei zur Beruhigung gesagt: Bei Iris Wolff funktioniert dieses rückwärtsgewandte Erzählen gut und gibt "Lichtungen" einen Originalitätsbonus, denn diese Art des Erzählens ist noch immer selten. Wobei der Roman gleichzeitig auch die Grenzen dieser Erzählart offenlegt. Denn tatsächlich gehen einige Nebenfiguren zu Beginn des Buches ein wenig unter, weil man sie als Leser:in schlicht noch nicht auf dem Schirm hat und sie erst viel später besser kennenlernt. Zudem nährt sich die Spannung nicht wie sonst üblich aus dem fortschreitenden Verlauf der Handlung, sondern aus dem Wissen, was bereits geschehen ist und wie es dazu kommen konnte.
Sprachlich glänzt "Lichtungen" durch die Mischung aus Poesie und feinsinniger Empathie der Autorin. Diese ist einerseits im liebevollen Umgang mit ihren Figuren zu erkennen, vor allem aber auch in den Szenen, in denen sich Lev als eine Art Anti-Kato auf den Weg in das Land Rumänien hineinbegibt, während Kato durch Europa reist. Die Menschen, Farben und Stimmungen, die Wolff hier beschreibt, sind nichts anderes als eine literarische Liebeserklärung an dieses vielfältige Land. Es sind ohnehin vor allem die leisen und melancholischen Momente, die sprachlich überzeugen und darüber hinwegsehen lassen, dass einige Szenen und poetischen Vergleiche vielleicht etwas zu bedeutungsschwer geraten sind.
Die titelgebenden "Lichtungen" sind die jeweiligen Erinnerungen, die dem Roman die inhaltliche Struktur vorgeben. So reisen wir gemeinsam mit dem anfangs erwachsenen Lev und dessen Wiedersehen mit Kato in Zürich zurück bis zum fünfjährigen Lev und einem ganz besonderen Moment mit seinem Vater, der dem Buch einen sprachlich und inhaltlich krönenden Abschluss bietet. Ohnehin sind es die einzelnen Szenen, die inhaltlich überzeugender sind als der Roman in seiner Gesamtheit. Die eigentliche Geschichte ist nämlich nicht sonderlich überraschend, muss sie aber vielleicht auch gar nicht sein, wenn sie insgesamt so warmherzig erzählt wird, wie es Iris Wolff gelingt.
"Lichtungen" ist insgesamt ein vor allem sprachlich gelungener Roman über Freundschaft, Liebe, Verlust und Identität, der zwar nicht ganz die Intensität von "So tun, als ob es regnet" erreicht, derselben Zielgruppe aber ohne Wenn und Aber ebenfalls gefallen sollte.