Auch Geschichten können einem passieren

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An sich bin ich skeptisch, wenn deutsche Autoren die Handlung ihrer Geschichten woandershin verlagern, weil das oft in „aufgesetztem Pseudoeinheimeln“ endet. Doch „Liebe kann doch jedem mal passieren“ ist mir analog zum Titel passiert, weil Julie Sanders mich mit den ersten Sätzen „hatte“. Die werden aus Julies Sicht erzählt: Sie will raus – aus der elterlichen Zahnarztpraxis in Newcastle bzw. der familiären Enge. Die Wahl fällt auf Brighton, wo sie ein halbes Zimmer mietet – ihren Reflex, auch hier auszubüxen, muss sie mangels Alternativen notgedrungen schnell unterdrücken. Also arrangiert sie sich mit ihrem Mitbewohner: Alex, Anwalt, selten im Zimmer anzutreffen – und ziemlich anders als Julie bzw. gar nicht so sehr …

Klar, alles an dieser Geschichte schreit: Ich bin vorhersehbar! Cover, Klappentext und auch die kurze Handlungsskizze oben, aber genau das suchen wir ja manchmal auch. Hier lautet das grobe Strickmuster, dass zwei auf den ersten Blick reichlich verschieden wirkende Charaktere durch einen blöden Zufall „aneinandergeraten“, ziemlich nah sogar, weil sie manchmal im Bett liegen und durch ein als Privatsphäre garantierendes (hüstel) Laken ahnen, was der andere macht bzw. überlegen, was es wohl sein könnte. Schnell stellt sich dabei heraus, dass die beiden sich ähnlich sind: nicht wirklich glücklich mit ihrer Arbeit – geben sich nach außen dabei allerdings unterschiedlich (Julie hadert offen, Alex wirkt zielstrebig, sie spielen schlicht andere Rollen), bis Julie klar wird, dass auch Alex äußeren Zwängen folgt. Und das wird beiden ganz langsam klar; so weit der offensichtliche Teil der RomCom. Der vorwiegend für „Com“ zuständige Teil besteht aus den aus der Situation zwangsläufig erwachsenden komischen Situationen, vor allem aber den Nebenfiguren (allen voran Alex‘ Gran und Mrs. Gastrell, die Vermieterin) und dem Schreibstil der Autorin: locker, leicht lesbar mit einer guten Prise Humor (nicht die schenkelklatschende Sorte), manchmal wunderbar lapidar. Durch die Perspektivwechsel zwischen Alex und Julie hat man immer wieder die Sicht beider. Sieht man einmal von der recht konstruierten Situation ab, ist „Liebe kann doch jedem mal passieren“ eine unterhaltsame Geschichte mit sympathischen Figuren, die viele Kernchen Wahrheit enthält – und wie die Figuren wortwörtlich hinter den Vorhang (das Laken) schauen und ihr Gegenüber erst bei echter Begegnung kennenlernen, kann es einem auch mit dem Buch so gehen, denn was die Situation um Alex‘ Gran angeht, könnte das Buch gar nicht treffender sein. Sicher nicht literaturpreisverdächtig, aber gute Unterhaltung.