Im Käfig

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Mit dem Psychothriller "Liebes Kind" hat Romy Hausmann ein literarisches Debüt vorgelegt, das seinesgleichen sucht. Geschildert wird das Schicksal des Opfers einer Entführung, das in einer fensterlosen Hütte im Wald leben muss. Lenas Leben und das ihrer zwei Kinder folgt strengen Regeln: Mahlzeiten, Toilettengänge, Lernzeiten werden minutiös eingehalten. Sauerstoff bekommen sie über einen »Zirkulationsapparat«. Der Vater versorgt seine Familie mit Lebensmitteln, er beschützt sie vor den Gefahren der Welt da draußen, er kümmert sich darum, dass seine Kinder immer eine Mutter haben. Doch eines Tages gelingt ihnen die Flucht – und nun geht der Albtraum erst richtig los. Denn vieles deutet darauf hin, dass der Entführer sich zurückholen will, was ihm gehört.

Bereits das in Schwarz-Weiß gehaltene Cover zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Es scheint weniger wie weniger wie ein Haus als ein Käfig, in dem Menschen wie Tiere gehalten werden. Wenn man seine Finger über den Umschlag gleiten lässt, kann man die einzelnen Gitterstäbe deutlich spüren. Der Titel "Liebes Kind" ist in groben, verschwommenen Blockbuchstaben geschrieben und wirkt einschüchternd. Denn man fragt sich sofort , wie es einem "unartigen" Kind in dieser Umgebung ergehen mag.

Das Geschehen wird aus wechselnden Perspektiven, jeweils in der 1. Person Singular, erzählt. Zu Wort kommen Hannah, Lena, Matthias und Jasmin, deren Lebensgeschichten untrennbar miteinander verbunden sind. Hannah ist ein 13jähriges Mädchen, das seit seiner Geburt mit der Außenwelt niemals in Berührung gekommen ist und unter einer gestörten (Selbst-)Wahrnehmung leidet. Das Leben von Matthias ist aus den Fugen geraten, als seine einzige Tochter spurlos verschwunden ist. Lena ist vor 14 Jahren das Opfer einer Entführung geworden, und Jasmin hat vor einigen Wochen das gleiche Schicksal erlitten und im wahrsten Sinne des Wortes in ihre Fußstapfen treten müssen. Durchbrochen werden diese persönlichen Schilderungen von einigen Zeitungsartikeln, die sich mit den Ereignissen auseinandersetzen.

Zeitlich gesehen bewegt sich dieser Psychothriller auf mehreren Ebenen. Romy Hausmann arbeitet mit vielen Rückblenden und springt ständig zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Ihr Schreibstil ist einfach, flüssig und gut lesbar. Gleich mit der ersten Szene schafft sie es, den Leser in ihren Bann zu schlagen, und sie hält den Spannungsbogen auf einem konstant hohen Niveau. Auf die Darstellung von brutaler Gewalt hat sie weitgehend verzichtet. Das unvorstellbare Grauen offenbart sich vielmehr zwischen den Zeilen.

Romy Hausmann ist ein packender Psychothriller gelungen, der jeden Leser aufgewühlt zurückläßt. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint, und die Autorin wartet mit einem grandiosen Finale auf, nachdem man lange über den Täter und seine Motive gerätselt und völlig im Dunkeln getappt hat. Dieses Debüt ist das Lese-Highlight im Februar 2019!