Origineller Entführungsroman

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waterlilly Avatar

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Vom Klappentext her hat mich „Liebes Kind“ stark an „Raum“ erinnert. Ich war gespannt auf dieses Buch, bildete mir jedoch ein, die Handlung schon zu kennen. Frau wird entführt, bekommt unfreiwillig Kinder, nach Jahren der Gefangenschaft gelingt ihr die Flucht und sie muss mit den Eindrücken der Außenwelt zurechtkommen.

Schon innerhalb der ersten 100 Seiten gab es die ersten beiden Überraschungsmomente und ich verstand sehr schnell, dass diese Handlung nach keinem Muster abläuft.
„Liebes Kind“ umfasst 420 Seiten. Immer wieder gelingt es Romy Hausmann den Leser zu verwirren und Zweifel zu sähen. Zeitweise arbeiteten meine Hirnzellen auf vollen Touren um dahinter zu kommen, was hier vor sich geht. Beim Lesen fühlt man sich oft, als würde man versuchen ein Puzzle zusammen zu setzen und das entscheidende Teil fehlt. Die Auflösung scheint so nah, wenn man nur ein letztes Detail verstehen würde.
Jedes Mal, wenn man denkt, auf der Zielgeraden zu sein, wirft das nächste Kapitel alles wieder um und neuer Unglaube, neue Zweifel, machen sich breit.
Dadurch ist „Liebes Kind“ nahezu unerträglich spannend. Während dem Lesen war ich kaum ansprechbar und habe den Thriller innerhalb von 3 Tagen beendet.

Die einzelnen Kapitel sind kurz und erzählen aus drei verschiedenen Perspektiven. Da ist Lena, der die Flucht gelungen ist, Hannah, ihre Tochter und ihr Vater Mathias.
Menschen, denen man zunächst voller Mitgefühl entgegen tritt und die man im Verlauf der Geschichte mit immer mehr Misstrauen und Unverständnis betrachtet.
Warum lügt Lena? Ist Mathias nicht irgendwie verdächtig?
Besonders beeindruckend fand ich die Ausarbeitung von Hannah. Geboren in Gefangenschaft, ahnungslos, was normale Familienkonstellationen und Verhaltensweisen angeht, schließt man sie erst einmal ins Herz, nur um später eine immer größere Abneigung und Irritation zu empfinden.

Zur Handlung selbst kann man im Grunde gar nichts schreiben, ohne bereits zu viel zu verraten.
Zusammenfassend kann man jedoch sagen, dass es hier um Entführung und Manipulation geht, und dass der Thriller weit entfernt von Schema F ist.
Die Spannungskurve von „Liebes Kind“ ist konstant hoch und wer auf der Suche nach einem Pageturner ist, ist hier goldrichtig!