Von Geheimnissen und blinden Flecken

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„Ich war immer davon ausgegangen, dass ich gar nicht schwanger werden konnte. Mein Körper war kein richtiger Frauenkörper, allenfalls ein ausrangierter Prototyp. Außerdem musste die Natur doch Interesse daran haben, dass so jemand wie ich sich nicht fortpflanzte.“

Mariam hängt Lio seit Monaten damit in den Ohren endlich zu daten, einen Mann in ihr (von Arbeit bestimmtes) Leben zu lassen und einfach Spaß zu haben – so wie sie selbst. Schließlich wäre die Freundin noch zu jung, um allein zwischen den Pflanzen in ihrem Labor zu vegetieren. Während Lio noch abwägt, wie sie das finden soll, tindert ihr Mariam kurzerhand einen Mann: Max. Der Radiomoderator und die Biologin verstehen sich zwar auf Anhieb, kommen sich aber nur sehr zaghaft näher. Denn Lio hat keinerlei Erfahrung mit Beziehungen oder Intimitäten und muss sich selbst mit Max zur körperlichen Nähe zwingen. Als sie unverhofft und ungeplant schwanger wird, hält sie es für einen grausamen Scherz. Wie kann ausgerechnet in ihrem Körper ein Kind wachsen? Kann und möchte sie diese Verantwortung tragen? Und verkraftet ihre – vielleicht schon angeschlagene – Beziehung überhaupt eine Schwangerschaft?

Frech, modern und unglaublich authentisch erzählt Caroline Schmitt in ihrem Debütroman „Liebewesen“ von Geheimnissen und blinden Flecken. Sie überzeugt mit einer realistischen Story, die ohne jede Beschönigung auskommt und dabei den eingestaubten Liebesroman neu denkt. Schmitt konzipiert ihre Figuren mit Makeln, die – mich eingeschlossen – sicher viele Menschen kennen: Geplagt von Unsicherheit bis Überforderung und dem wagen Gefühl sich selbst nicht zu genügen, lässt sie uns gemeinsam mit Protagonistin Lio eine schier greifbare Ausweglosigkeit erleben. Philosophische Gedanken treffen hier auf nüchterne Realität. Aber es sind vor allem die Sätze voll von rotzigem Sarkasmus, die bei aller Ernsthaftigkeit auch immer eine gewisse Situationskomik mit sich tragen und das Buch so lesenswert machen. Ein brennendes Debüt, durch das ich wie im Rausch geflogen bin – Leseempfehlung!