Nette Rezepte sehr irreführend und täuschend vermarktet

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Das positive vorweg: Das Buch ist schön aufgemacht und die vielen Fotos wirklich ansprechend und machen Lust darauf, die Rezepte auszuprobieren. Ich finde es auch nicht so schlimm, mal ein wenig mehr in Grundzutaten zu investieren die in der traditionellen deutschen Küche vielleicht nicht vorrätig sind. So ist die Erstanschaffung vielleicht etwas teurer und aufwändiger, da man sich mit neuen Lebensmitteln auseinander setzt, diese Produkte sind aber meist vielfältig und neu einsetzbar und können bald in das regelmässige Repertoire übergehen, so wie ein Paprika-Gewürz es bei uns bereits ist. Ein wenig aufgeschlossen Neuem gegenüber und die Rezepte sind gar nicht so schwierig und einschüchternd. Ich finde auch dass grundsätzlich viele der Rezepte für viele Menschen neu und kreativ sein werden (insofern man sich nicht vorher schon viel mit pflanzenbasierter Ernährung beschäftigt hat).

Toll finde ich die Hinweise am Ende der Seite ob das Rezept gluten/laktosefrei ist bzw. durch welche Veränderungen die Rezepte anzupassen sind. Dabei fällt aber auch auf, dass es manchmal den Hinweis zu "machs leichter" gibt um - wie ich vermute - die Kalorien zu reduzieren? Oder das Fett? Man weiss es nicht so genau. Denn erklärt wird nicht was leichter gemacht und was der Unterschied ist. Eine Nährwertangabe vermisse ich komplett. Es gibt Bücher in denen das ein bewusster Ansatz ist (abnehmen ohne Kalorienzählen und durch das fokussieren auf gesunde entscheidungen). Ich bin aber ein großer Verfechter davon dass wenn ich etwas so vermarkte dass es bei vielen Menschen den Eindruck machen muss dass es sich um eine Möglichkeit zur Gewichtsreduktion handelt, ich mit offenen Karten spielen muss. Wenn ich mich gegen Nährwertangaben entscheide dann erkläre ich nicht nur warum das so ist sondern ich erkläre auch gute und schlechte Entscheidungen. Das fehlt hier komplett, denn der Brokkolisalat

Leider hat das Buch aber ein großes Defizit: Es ist vermarktet wie ein revolutionärer Ansatz sich gesund zu ernähren. Es wird von Superfoods (was eine ganz bescheuerte Marketingerfindung ist, aber das ist der Autorin nicht anzukreiden) geredet und in dem Zusammenhang mit plakativen Worten die dem Leser eintrichtern wie gesund die Rezepte sind. Worte wie "Krebshemmend" "wirkt verjüngend" in Zusammenhang mit dem Titel des "Lebensverändernden Essen" und den ganzen Zitaten von Menschen die das Essen glücklich gemacht haben (und die dadurch abgenommen haben) sind eine ganz klare und deutliche Marketingstrategie. Es muss so rüber kommen als ob die Rezepte in diesem Buch ins geheiligte Land der Gesundheit führen. Ohne es konkret auszusprechen verspricht durch das Marketing dieses Buch Gewichtsreduktion und diverse andere gesundheitliche positive Effekte.
Wenn ich dann aber in die Rezepte reinschaue und die Zutatenliste durchgehe täuscht das ganz schnell. Mich würde es nicht wundern wenn Menschen sich erhoffen durch diese Ernährung abzunehmen und das nicht zum Erfolg geführt hat. Da wird der teure Kokosblütenzucker genommen, der genauso ein Zucker ist wie Agavendicksaft, Honig, oder Rohrzucker. Ein Salatrezept nutzt 130 ml Mayonnaise und 1 EL Rohrzucker als Dressing. Olivenöl wird unnötigerweise auf Tomaten zum backen und in die Avocado zur Guacamole gegeben. Achso, Avocado essen wir sowieso hier an jeder Ecke. Das sind alles tolle Lebensmittel, die man aber mit Bedacht verzehren sollte und bei denen ich durchaus ganz schnell zunehmen werde, wenn ich mir nicht bewusst mache, wie viel ich am Tag von diesen Lebensmitteln maximal zu mir nehmen sollte.

So bleibt für mich am Ende immer hauptsächlich noch ein großes Fragezeichen - was genau ist das LCF-Ernährungsprinzip? Ich kann ein Ernährungskonzept eigentlich mit einem Satz oder gar Wort beschreiben ("frei von tierischen Produkten", "kohlenhydratreduziert", "laktosefrei", "wenig kohlenhydrate viel fett", "alles was nicht von menschen angebaut/prozessiert wird"), aber nachdem ich dieses Buch durchgeblättert habe fällt es mir immer noch schwer festzusetzen was dieser Ernährungsstil eigentlich sein will.
Was er für mich erfolgreich ist, ist eine gluten- und laktosefreie Ernährungsweise. Dieses Buch schafft es dafür Rezepte zusammenzubringen, die für den Menschen der sich noch nicht mit pflanzenbasierter Ernährung beschäftigt hat sicherlich neu und kreativ sind. Aber eine neue Religion ist es nicht.