Die 20er Jahre in Berlin

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meinekleinebüchersucht68 Avatar

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Berlin 1928:
Die neuen Tänze namens Swing, Jazz und Charleston erobern die Berliner Clubs. Choreografin Wally Kaluza sieht darin ihre Chance, endlich ihren Traum von einer eigenen Tanzgruppe zu verwirklichen. Per Annonce sucht sie keine erfahrenen Tänzerinnen, sondern welche, die Freude am Tanz haben und die auch bereit sind, dafür hart zu arbeiten. Ihre „Lindy Girls“ sind gut, aber Wallys Problem ist, dass ihnen die Auftritte verwehrt bleiben. In der Branche haben Männer das Sagen, aber davon lassen sich die Mädels nicht abschrecken. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ihre Proben werden immer härter und irgendwann zahlt es sich aus.

Nach zahlreichen Buchveröffentlichungen hat Anne Stern nun ihr neustes Werk „Lindy Girls“, dass im November 2023 im Aufbau Verlag erschienen ist, veröffentlicht. Ich liebe ihre historischen Romane und als ich von diesem erfuhr, wusste ich, dass ich ihn unbedingt lesen muss. So war es dann auch

Mit ihrem bildhaften und flüssigen Schreibstil entführte mich die Autorin sofort in die 20er Jahre Berlins. Bereits nach der ersten Seite war das Kopfkino angeschmissen und ich durfte in die wilde Zeit von damals ein und abtauchen. Während des Lesens merkte ich, wie mich die Geschichte der Lindy Girls mehr und mehr in ihren Bann zog und ich dieses Buch nicht so einfach aus den Händen legen konnte. Ich wollte, nein, ich musste wissen, ob sich die harten Tanzproben auszahlen und wie es mit den einzelnen Mädchen weitergehen wird. Anne Stern hat nicht nur einen brillanten Erzählstil an den Tag gelegt, sie verzaubert den Leser auch mit ihrer authentischen und einzigartigen Kulisse. Genauso stellte ich mir die damalige Zeit in Berlin vor. Einerseits waren es harte Nachkriegsjahre, mit politischen Unruhen, wo Elend und Hunger zum Alltag gehörten. Auf der anderen Seite pulsierte das Berliner Nachtleben, wo jeder nach Lust und Laune feierte und tanzte, nur um die Alltagssorgen für ein paar Stunden zu vergessen.

Die Handlung erzählt die Geschichte vier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber ein erklärtes Ziel haben: sie wollen tanzen!

Die Sekretärin Gila will unbedingt ihren Traum erfüllen. Sie möchte Schriftstellerin werden, was in der Männerdomäne fast undenkbar ist, aber trotzdem hält sie weiterhin daran fest.

In der Nähmaschinenfabrik arbeitet Alice. Ihr mageres Gehalt reicht vorne und hinten nicht aus und zudem muss sie sich auch noch um ihren jüngeren Bruder kümmern.

Die Industriellentochter Thea kommt aus guten Verhältnissen, aber nichts liegt ihr fern als auf eigenen Füssen zu stehen. Allerdings ist dies schwerer als gedacht, denn ihre Vergangenheit holt sie immer wieder ab.

Der ständige Perspektivenwechsel macht es dem Leser leicht, sich in die einzelnen Leben einzulassen und ihren Gedanken zu folgen. Ihre Sorgen und Nöte, aber auch die Liebe zum Tanz wurde perfekt eingefangen und wieder gespiegelt. Mir hat es großen Spaß gemacht, in die jeweiligen Geschichten einzutauchen. Aber dies ist nur ein Punkt mit dem Anne Stern mehr als nur punkten kann. Sie hat es geschafft, ihre Leserschaft in das damalige und glamouröse Berliner Nachtleben zu entführen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich nicht nur Leserin bin, sondern mitten im Geschehen stehe. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie die Tanzgruppe, mit ihren tänzerischen Einlagen das Publikum verzauberte. Ich hörte die Musik, die nicht nur die Gäste in den jeweiligen Lokalitäten in ihren Bann zog, sondern auch mich. („I Scream, you Scream, we all Scream for Ice Cream“ – ein Ohrwurm).

Anne Stern hat erneut bewiesen, dass sie zu den erfolgreichsten Autorinnen der Zeit gehören darf. Ihre historischen Romane sind eine atemberaubende und brillante Zeitreise, die den Leser nicht nur den Alltag vergessen lässt, sondern sie auch verzaubert. So wie einst die Lindy Girls ihr Publikum verzauberte.

5 von 5 Sternen und für mich ein Lesehighlight, dass sich mehr als nur lohnte!