Swinging Girls - Zeit des Aufbruchs

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Die Reihe um Fräulein Gold, aus der Feder von Anne Stern, mag ich sehr gern – auch wenn ich mir nach dem sechsten Band die Frage stelle, ob es nun nicht besser ist, die Serie bald schreibend zu beenden. Ich weiß, dass Anne Stern neben ihrer Erfolgsserie schon viele andere historische Romane geschrieben hat. Die Lindy Girls waren nun mein kleiner Ausflug in ihre andere Schreibwerkstatt. Wobei, die Stadt Berlin und der Zeitgeist der Weimarer Republik, auch in diesem Einzelband Hauptrollen spielen.

Das Buchcover gefällt mir ausgesprochen gut, Swinging Girls, die Haptik der Schriftzüge, der Lackschriftzug des Autorennamens in rosa Versalien, Lindy in Gold und Girls als Schreibschrift, ist ein Hingucker. Die Schriftgröße im Buch ist sehr lesefreundlich – sonst hätte das Buch womöglich auch nur 250 Seiten. Der im Buch abgedruckte QR-Code führt zu einer Playliste mit 18 Songs der Zeit. Das gefällt mir gut – ist doch nett, die passende Zeitgeistmusik nebenbei hören zu können. Die Tonqualität hundert Jahre alter Lieder ist erfahrungsgemäß recht schrill und auch blechernd.

Ich habe jahrelang getanzt, ich weiß, wie es sich anfühlt in einer Gruppe etwas einzustudieren und aufzuführen. Der Lindy Hop hat es erst in den letzten Jahren wieder auf die Bühnenbretter geschafft – nach Jahrzehnten Dornröschenschlaf.

In diesem Roman wird von vier Frauen und ihren Träumen erzählt. Es ist die Zeit des Aufbruchs und der zarten Emanzipation, die wenige Jahre später ganz abrupt gestoppt werden wird. Die eine, Tochter aus gutem Haus, verlässt dieses und wird für die Lindy Girls engagiert. Eine andere, arbeitet in der Fabrik und trainiert auch in der Tanzgruppe mit. Sie muss Geld verdienen, damit Miete und Essen für sich und ihren Bruder gesichert ist. Eine andere junge Frau träumt davon, eigene Texte zu schreiben und unabhängig von Männern zu sein. Wally ist die Tanzschulchefin, eine starke Frau, die das Ziel verfolgt ihre rein weibliche Tanzgruppe auf den Bühnen unterzubringen.

Hinzukommen die Namen der anderen Tänzerinnen und einer Handvoll männlicher Vornamen, die in der Handlung auftauchen. Und so hatte ich tatsächlich Probleme die Personen und Namen während des Lesens schnell zuzuordnen. Wie geht es dann jemandem, der das Buch nicht in wenigen Tagen liest und öfter zur Seite legt? So wäre ein Personenverzeichnis wohl ratsam gewesen. Weil das Buch in viele kurze Kapitel unterteilt ist, gibt es häufige Perspektivwechsel und damit Einstellen auf eine andere Person.

Mein Leseempfinden war, dass sich der Roman ein wenig wie ein Kaugummi gezogen hat. Wäre er nicht von Anne Stern gewesen, hätte ich nicht die Geduld gehabt, die 350 Seiten fertig zu lesen. Im Vergleich zu dem direkt davor gelesenen sechsten Band von Fräulein Gold, verliert er bei mir sehr. Es ist gut, dass er als Einzelband konzipiert ist – aber schade, dass er meine Leseunterhaltungserwartung nicht erfüllen konnte.