Cliffhanging extreme

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ewa Avatar

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Wer als Leser zu denen gehört, die gerne Serien oder gar Daily Soaps sehen, dem wird das Prinzip des „Extreme- Cliffhangings“ durchaus bekannt (und beliebt) sein. Wer hat nicht schon mal vor dem Fernseher gesessen und leichte Anwandlungen gekriegt, wenn es mal wieder heißt „und nächste Woche bei…“ obwohl man doch viel lieber jetzt schon wüsste, was denn nun Sache ist. Beim Film ist das ein allseits beliebtes Prinzip. Bei einem Buch kommt das eher selten vor, es sei denn man widmet sich mehrbändigen Romanreihen. Doch jetzt wurde das mal bis aufs Ganze ausgereizt. Doch der Reihe nach: Das Werk ‚Lockruf der Nacht‘ von Lilly M. Love ist im Selbstverlag der Autorin erschienen. Dass das Werk anscheinend nicht professionell lektoriert und überarbeitet wurde, ist in einigen Passagen zwar durchaus zu merken, da Rechtschreibfehler unangenehm auffallen und der Schreibfluss ab und zu etwas holprig ist, doch beeinträchtigt er den Leser nur in geringem Maße. Inhaltlich wird uns die Geschichte von der Protagonistin Leia erzählt, welche des Nachts von eigenartigen Träumen heimgesucht wird. Immer wieder taucht dort auch ein geheimnisvoller Mann auf, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt. In den folgenden Nächten werden seine Besuche häufiger und sie verliebt sich Hals über Kopf in ihren Traummann. Fest davon überzeugt, dass er real existiert beginnt sie nach Anzeichen seiner Existenz zu suchen und entdeckt ihn auf einem geheimnisvollen Gemälde. Bald wird aber auch deutlich, dass es nicht nur Träume voller Wonne gibt, sondern auch düstere Träume, welche ihre Spuren hinterlassen, was Leia an der Unterscheidung von Wachen und Träumen zweifeln lässt.
Das Buch ist meiner Meinung nach gut geschrieben, obwohl (oder gerade weil) man bei vielen Dingen nach einer Erklärung sucht, die einem einfach als Tatsachen präsentiert werden: Sie liebt diesen Mann ohne ihn zu kennen, sie vertraut ihm blind (als würde sie ihn schon ewig kennen), obwohl sie Männern gegenüber doch eher skeptisch veranlagt ist, und einiges mehr, was ich nicht vorgreifen will. Die Ebenen von Traum und Wirklichkeit (oder was auch immer) scheinen willkürlich zu wechseln und das auch mehrmals in einer Szene. Dies ist zum einen dem recht eigenwilligen Schreibstil der Autorin zu schulden, andererseits bringt es den Leser aber gleichzeitig mit der Protagonistin ins Grübeln. Das alles sind natürlich Dinge, die man auch schon in Werken anderer Autoren serviert bekommen hat, aber eine Sache ist neu: Am Ende ist man eigentlich genau so schlau wie am Anfang. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass das Buch genau so endet wie es begonnen hat. Doch es gibt nicht nur den klassischen Cliffhanger am Ende, sondern eigentlich wurde keine der Fragen, die einem während des Lesens begegneten, beantwortet: Man kann die Ebenen nicht identifizieren, man weiß nicht, wer wer oder was ist, man weiß nicht was mit den verschiedenen Figuren passiert ist und wer wie worin verstrickt ist. Bis jetzt habe ich noch nie so ratlos, nach dem letzten Satz, vor einem Buch gesessen. Das meine ich aber keineswegs negativ. Da man nach dem letzten Satz erfährt, dass die gesamte Geschichte auf insgesamt 4 Bände angelegt ist, bin ich gespannt wie sich das (Buch)Projekt weiterentwickeln wird. Dass ein Band keine abgeschlossene Geschichte mit Ausblick ist, mag einige Leser vielleicht verstimmen, ich finde es spannend. Ein abschließendes Gesamturteil möchte (und kann) ich demnach auch frühestens nach dem nächsten Band fällen.