Große Erwartungen, leichte Enttäuschung

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hundenaerrin Avatar

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Die 15jährige Zoe aus Potsdam ist glücklich. Endlich ein Austauschjahr in London! Und dann auch noch in einem Internat, das in dem alten viktorianischen Gebäude namens Dunwick House angesiedelt ist. Ihre Jane-Austen-Träume werden wahr! Wie wahr jedoch, wird sie bald bemerken: Bei einer Mitternachtsparty entdecken Zoe und ihre Mitschülerinnen einen alten Spiegel auf dem Dachboden, der mit ägyptischen Symbolen versehen ist. Als dann plötzlich ein Strahl Mondlicht auf den Spiegel fällt, wird Zoe ohnmächtig. Sie erwacht zwar im selben Gebäude, zu ihrem großen Schrecken jedoch im Jahr 1816. Und als Zofe! Aber Zoe wäre nicht Zoe, wenn sie nicht das Beste aus dieser Situation machen würde. Schließlich führt sie in ihrer Gegenwart einen Instagram Account, der Anleitungen und Hilfestellungen gibt bei sämtlichen Situationen, in die ein Mädchen geraten kann. Und so schafft Zoe es also auch, ihre neue Herrin Miss Lucie aus ihrem Schneckenhaus hervorzulocken und sie in die englische Gesellschaft einzuführen. Beim ersten Ball trifft Zoe auf den jungen Lord Hayden Falcon-Smith, der sich durch einen Pippi-Langstrumpf-Vergleich ebenfalls als Zeitreisender verrät. Können es beide gemeinsam schaffen, wieder in ihre Gegenwart zu gelangen?

Ich liebe Zeitreisegeschichten! Aber hier musste ich feststellen, dass ich wohl nicht mehr zu der angesprochenen Zielgruppe gehöre... Dieses ganze Instagram-Gehabe ist nicht meine Welt und ein Influencer*innenleben wäre mir zu anstrengend. Wobei das bei intensiverem Nachdenken über diese Geschichte nicht der Punkt ist, der mich eigentlich stört. Es ist der Umstand, dass dieses Konzept nicht bis zu Ende umgesetzt wurde. Zoes Instagram Account nebst Konzept wird auf den ersten Seiten dieses Buches kurz angerissen, aber nicht näher erläutert. Im Jahr 1816 greift sie diese Idee dann in Form von den WhisperWhisper Briefen auf. So weit, so gut. Aber diese Briefe werden völlig zusammenhanglos am Ende eines jeden Kapitels abgedruckt und der Inhalt geht häufig über die Parole: „Das geht jeder von uns mal so!“, nicht hinaus. Da hatte ich mir – wenn schon! – etwas mehr feministischen Input gewünscht. Womit ich aber auch schon beim nächsten wichtigen Kritikpunkt wäre: Gilt das Gesetz der Unveränderbarkeit der Vergangenheit hier nicht? Was Zoe mit ihren WhisperWhisper Briefen anrichten kann, wird hier gar nicht thematisiert. Vorzeitiger Anstoß der Frauenbewegung? Zusammenbruch der Gesellschaft durch Streik der Frauen, die nicht länger aus Standesgründen heiraten wollen, sondern aus Liebe? Hier hätte die Autorin ihr Konzept der Zeitreise vorstellen und transparenter machen sollen. Das hat mich wirklich arg gestört, muss ich sagen.

Zoe als Figur, und besonders als Zofe, ist einfach zu extrovertiert – und für eine 15jährige allemal, wie ich finde! –, zu aufmüpfig und zu unangepasst. Sie sprengt ihre Rolle in einem Rahmen, der 1816 sicher nicht toleriert worden wäre in einem Adelshaus der Upper Class. Ich habe da Schwierigkeiten mit der Authentizität.

Der Grundgedanke dieser Zeitreisegeschichte gefällt mir jedoch schon und ich bin gespannt, wie die Autorin den Mythos um den Mondlichtspiegel auflöst. Aber das Drumherum hat für meinen Geschmack leider weniger gepasst. Die Konzeption rund um den Instagramblog, die Briefe und den vereinzelten Tagebucheintrag waren mir zu unstet, es fehlte ein stringentes Erzählvorgehen in dieser Hinsicht.

Das Cover jedoch hat seinen Effekt nicht verfehlt: Durch seine farblich auffällige Gestaltung hat es mich direkt angelockt und mich neugierig gemacht. Ich bin sehr auf die Aufmachung der nächsten Bände gespannt.