Kein beschaulicher Irlandkrimi, dafür viel geschichtlicher Hintergrund.

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bedard Avatar

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Im Jahr 1964 wird eine junge Frau in einer Scheune vergewaltigt.
Im März 2005 wird im überwiegend katholischen Sligo der 75jährige Charles Fitzpatrick, eines der hochrangigsten Mitglieder der protestantischen Kirche in Irland, ermordet in seinem Haus aufgefunden. Die Ermittlungen führt Emma Vaughan, die in mehrfacher Hinsicht untypisch für die örtliche Polizei ist: Sie ist eine Frau, geschieden, alleinerziehend, ebenfalls Protestantin und außerdem schmerzmittelabhängig. An ihrer Seite ermittelt als Kontrapunkt James, zu dem sie sich stark hingezogen fühlt.
Und dann gibt es noch das Heim in Manchester, in dem eine alte, demente Lehrerin beim Anblick ihrer Pflegerin ständig den Namen Kaitlin ruft...
Das stimmungsvolle Cover lässt mit seinem typisch irischen Landschaftsbild eher einen gemächlichen Regionalkrimi mit Urlaubsflair erwarten, tatsächlich zeichnet die Autorin aber ein anderes Irlandbild. Es geht um den Einfluss von Religion bzw. Kirche, Machtmissbrauch und ein ganz besonders dunkles Kapitel in der Geschichte: der Umgang mit nichtehelichen Kindern und deren Müttern. Auch die IRA rückt am Rande in den Fokus der Ermittlungen.
Barbara Bierachs erster Krimi, der als Auftakt einer Reihe um Emma Vaughan und vermutlich auch ihrer Kollegen angelegt ist, verzichtet zugunsten sehr detaillierter Beschreibungen der gesellschaftlichen Verhältnisse auf rasante Krimihandlung. Die Charaktere sind fast ausschließlich entweder unsympathisch oder doch zumindest keine wirklichen Sympathieträger.
Der leicht und flüssig lesbare Roman wechselt zwischen den verschiedenen Zeitebenen, deshalb kennt der Leser lange vor den Ermittlern den Täter. Die Auflösung hält allerdings eine kleine Überraschung parat.
Mit kleinen Einschränkungen kann ich „Lügenmauer“ Lesern mit Interesse an irischer Sozialgeschichte empfehlen, denen es nicht auf die schnelle und spannende Krimihandlung ankommt. Eine Fortsetzung würde ich sicher lesen.