Der Blick hinter die Fassade

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Kann es wirklich sein, dass „Lügennebel“ schon der vierte Fall ist, in dem Vivca Sten ihre Ermittler Hanna Ahlander und Daniel Lindskog losschickt? Und: Gibt es „Verschleißerscheinungen“?

Die Handlung ist fix umrissen: Eine Gruppe sechs befreundeter Studenten ist in den Skiferien in Åre – es geht feucht-fröhlich her, Mutproben und Spannungen inkludiert, eines Morgens ist eine von ihnen tot. Ob es ein Unfall oder Mord war, ist lange ebenso unklar, wie die Antwort auf die Frage, wer es gewesen sein könnte, sofern es Mord war. Hannah und Daniel stehen vor der Aufgabe hinter die Fassaden zu schauen und den Fall aufzuklären, in dem nichts zu sein scheint, wie es zunächst wirkt.

Ein verlängertes Wochenende im Januar – gedacht als Auszeit mit Skifahren und Freunden geht grandios schief: Das klingt einigermaßen plausibel, zumal der Alkohol in Strömen fließt und sonst gesteckte Grenzen fallen lässt. Die „Freunde“ sind sich nur in Teilen grün, unterschwellig herrschen Neid, Missgunst usw. und man belügt sich und die Polizei. Man hat schnell das Gefühl, keinem trauen zu können und liest (etwas angewidert), wie sie sich gegenseitig täuschen. So entsteht eine psychologisch motivierte Form der Spannung. Auch die Entwicklung ihrer Protagonisten treibt Sten voran: Hannah „tröstet“ sich mit Henry Sylvester, Daniel arrangiert sein Leben nach der Trennung von Ida, auch Anton und Karro begegnet man wieder – so fühlt es sich ein bisschen wie nach Hause kommen an, wenn man mit „Lügennebel“ nach Åre zurückkehrt. Ob man die Schilderung der Ermittlerprivatleben als die Spannung bremsende Elemente, als Gegengewicht dazu oder als störend wahrnimmt, ist wohl eine Typfrage, m. E. hielt es sich gerade noch die Waage. Einmal mehr beweist Viveca Sten, dass sie weiß, wie man (gute) Krimis schreibt: Sie erzählt die Geschichte aus wechselnden Perspektiven, wodurch beinah automatisch Spannung entsteht, denn man will ja wissen, wie es in den anderen Strängen weitergeht. Zudem erhöht Sten das Tempo durch kurze Kapitel und indem sie die Handlung in nur eine Woche „presst“, auf dass man durch die ca. 500 Seiten ihrer gewohnt flüssigen Erzählweise fliegt. So kommt sie mit für skandinavische Verhältnisse recht unblutigen Handlungen doch auf einen ordentlichen Spannungsbogen.