fein gehäkelt – mit viel Humor und Einfühlungsvermögen

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marga_pk Avatar

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Matea, die Heldin und Erzählerin der Geschichte, ist leider wahnsinnig schüchtern. Selbst wenn sie in die Bäckerei geht, ist sie nervös, wenn sie den immer gleichen (zuvor lange geübten) Satz sagen muss. In der Schule wiederum redet sie nur mit ihrer Freundin Charlotte. Selbst den Lehrern antwortet sie nicht, was sich auch auf ihre Noten auswirkt, da sie zwar gute Klassenarbeiten schreibt, aber sich nie zu Wort meldet.
Matea stellt sich ihre Schüchternheit als Tiefseekrake vor. Sie heißt "Madame Schüchtern“ und sitzt in ihrem Bauch – auf einem superbequemen Sofa, wo sie manchmal ganz entspannt Tee trinkt und fernsieht, oder aber erschrocken hochspringt und mit ihren Tentakeln fuchtelt.
Freundinnen hat Matea so gut wie keine. Da gibt zwar Charlotte, aber die ist jetzt auch mit Fabienne befreundet, und Fabienne wiederum ist echt ätzend zu Matea. Früher gab es einmal Frau Loose, die Matea das Häkeln beigebracht hat, aber die alte Frau ist vor kurzem gestorben und nun fehlt sie Matea sehr

Der Roman setzt mit Mateas panischen Sprachnachricht an Ricci ein. Man bekommt mit: Ricci ist weg und meldet sich nicht mehr. Doch wer ist diese Ricci?
Nach und nach lernen wir in Rückblenden an die gemeinsamen Tage Mateas neue Freundin Ricarda kennen, die aus einer ganz anderen Welt kommt als Matea selbst. Matea wächst in sehr behüteten Verhältnissen auf. Ihre Mutter ist Pfarrerin, sie ist immer da für die Probleme der Menschen, und stets steht eine gepunktete Tasse bereit, für jene, die Trost oder auch einfach nur ein warmes Getränk brauchen. Auch Mateas Vater begegnet Matea mit viel Verständnis, selbst das Verhältnis zu ihrem älteren Bruder ist ein herzliches.
Dass mit Ricardas Familie etwas nicht stimmt, bekommt man schon sehr früh mit. Zu oft treibt sich die vorlaute Ricci alleine rum, auch wechselt sie jedes Mal das Thema, wenn Matea Fragen stellt oder vorschlägt, zu Ricci zu gehen. Doch die beiden ergänzen sich und ihre Freundschaft geht sehr schnell sehr tief. Ricci ist für Matea mutig – und bei Mateas Familie findet die völlig überforderte Ricci, die aus prekären Verhältnisse kommt, ein bisschen Geborgenheit. Bald übernachtet Ricci bei Matea und erlernt von ihr das Häkeln. Bei einer gemeinsam geplanten Guerillahäkel-Aktion verlieben sich die Mädchen sogar. Doch dann erfährt Matea etwas über ihre Freundin, was Ricci so unangenehm ist, dass sie Matea nicht mehr sehen möchte...

Anne Becker erzählt eine zarte, einfühlsame Geschichte von Freundschaft und vor allem davon, dass Innenleben und Außenwirkung oft ziemlich gegensätzlich sein können. Denn die Ich-Erzählerin Matea hat durchaus viel zu sagen, auch wenn sie gegenüber anderen meist kein Wort rausbringt, und die mutige, draufgängerische Ricci lebt vor allem in Angst. Selbst die Nebenfiguren werden nicht einfach nur in „böse“ und „gut“ eingeteilt. Denn wie sonst könnte es sein, dass Charlotte Fabienne so gerne mag, obwohl sie zu Matea mobbt?

"Luftmaschentage" ist mit einer feinen Prise Humor und viel Warmherzigkeit gehäkelt. Aber nicht nur. Denn durch die verzweifelten Sprachnachrichten von Matea an ihre verschwinden Freundin, die zwischen die die Erinnerungen an die gemeinsamen Tage geschoben werden, wird die Spannung so sehr sehr erhöht, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Was ist mit Ricci passiert? Wieso meldet sie sich nicht bei Matea? Und wie geht es weiter mit den beiden Mädchen?
Die Spannung, soviel kann ich hier schon mal verraten, hält bis zum Schluss.

Schade, dass Geschichten wie diese immer weniger Platz in den Buchhandlungen einnehmen. Es sind nämlich vor Bücher wie diese, die Teenagern helfen können, die Menschen in ihrem Umfeld und deren Handeln zu hinterfragen und vor allem zu lernen: Nicht selten stecken hinter verletzendem Verhalten einfach nur Neid oder Unsicherheit.