Was für ein Brocken! Krass und unbedingt lesenswert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
anettes13 Avatar

Von

"Lyneham" ist das erste Buch, das ich von Nils Westerboer gelesen habe, aber es wird nicht mein letztes sein. Tatsächlich habe ich es fast an einem einzigen Sonntag durchgelesen. Obwohl es also ein gut aufgebautes, spannendes und leicht lesbares Buch ist, lungern noch viele Elemente der Geschichte in meinen Gedanken. Gut konsumierbar, aber nicht leicht verdaulich und das meine ich im besten denkbaren Sinn.

Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt: Die der Wissenschaftlerin Mildred Meadows und die ihres mittleren Sohns, dem zwölfjährigen Henry. Am Tag seines zwölften Geburtstags landet er mit seiner Familie und vielen anderen Kolonisten auf ihrer neuen Heimat, dem Mond "Perm". Vieles geht schief, doch Henry weiß, dass niemand an seinem Geburstag stirbt. Tatsächlich kommen er, seine kleine Schwester Loy, der Bruder Charles und Papa, heil in dem abgeschirmten Habitat in der gefährlichen, fremdartigen Natur an. In dem Nachbau ihres Hauses auf der Erde erwarten sie die Mutter, die sie auf der Reise überholt hat. Doch sie ist nicht da und das ist nicht das einzige, was nicht an den Geschichten stimmt, die ihnen ihr Vater erzählt.

Die Mutter, Mildred, erzählt derweil von den Anfängen der Besiedlung. Sie erforscht als Wissenschaftlerin die Lebensformen und Lebensbedingungen des Mondes. Was hier schon an Ideen und Konzepten einfließt, hat den Bionerd in mir wirklich überzeugt und fasziniert, doch dies nur am Rande ;) Mit demselben kühlen Blick analysiert sie, wie sie in der kleinen Forschertruppe zur Außenseiterin wird und während die anderen nach dem schnellsten Weg suchen, die Habitate für die Auswanderer von der Erde aufzusetzen, ergründet sie die Prinzipien, die dem Biom auf Perm zugrundeliegen.

Im Hin- und Herspringen zwischen diesen Perspektiven entfaltet sich die Handlung, ein andauerndes Entdecken und Aufdecken, immer klarer wird der Widerspruch zwischen dem, was den Kindern und Kolonisten erzählt wird und was wirklich hinter ihrer neuen Heimat steckt.

Viele tiefgründige Gedanken verstecken sich in diesem Buch, das zudem mit einer tollen, ungewöhnlichen Figurenpopulation bevölkert wurde. Wie wohltuend untypisch sind die Rollen besetzt: Hier der fürsorgliche Vater, der alles für seine Kinder tut, dort die kühle, kühn denkende Mutter, die ebenso krass wie kreativ mit einer Situation umgeht, die aussichtslos erscheint. Typisch nur der Typ manipulativer Anführer, dem es zu gelingen scheint, hier auf Perm genauso ungeschoren mit seinen Missetaten davonzukommen wie schon auf der Erde.

Eine einzige kleine Kritik mag ich mir nicht verkneifen: Die Benennung der Orte auf Perm wird vermutlich einer durchdachten Logik gefolgt sein. Allerdings hatte ich wirkliche Probleme, mir die Namen zu merken, was manchmal doch zu kurzer Verwirrung geführt hat. So viele Ortsnamen, die mit G oder C beginnen, das war für mich zu schwer zu unterscheiden.
Aber letzten Endes konnte ich der Handlung folgen und die war es absolut wert!