Intensiv

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
mike nelson Avatar

Von

Intensiv. Stellenweise kaum aushaltbar. Ich als männlicher Lesender voller Scham. Schließlich geht es in "Macht" von Heidi Furre um das auch für die Protagonistin ihres Romans unaussprechliche - Vergewaltigung. Und die Autorin ist auch Fotografin, so sieht man auf der Innenseite der vorderen und der hinteren Buchklappe einen verwüsteten Raum und eine Frau mit einem Gewehr - Sinnbild für die erzählte Geschichte. Liv hat das Trauma der Vergewaltigung über viele Jahre hinweg in einen ebensochen Raum 'weggesperrt', auf Kosten einer lebensbejahenden Lebendigkeit, begleitet von Ängsten und Zweifeln. Medikamente als Helfer in der Not. Das 'ganz normale Leben' gelingt irgendwie, bis an ihrem Arbeitsplatz im Pflegeheim der prominente Bruder einer Patientin auftaucht, der vor einiger Zeit im Rahmen eines Verfahrens wegen 'sexueller Gewalt' freigesprochen worden ist. Langsam versucht sich Liv nun ihrem alten Trauma zu stellen, und die Macht über ihr Leben zurückzugewinnen. Mit ungeheurer Intensität beschreibt die Autorin Liv's Selbstauseinandersetzung und das Bemühen, alle 'inneren Räume' wieder bewohnbar zu machen. Dabei hilft ihr im letzten Drittel die Auseinandersetzung mit der französischen Bildhauerin Niki de Saint Phalle, die selbst selbst Ofer einer Vergewaltigung gewesen ist und lange Jahre geschwiegen hatte. "Ich bin gut darin, zu renovieren und schön einzurichten. Schade nur, dass ich diejenige bin, die hier wohnt, es wäre besser für jemanden, der es genießen kann." "Manchmal ist es schlimmer zu sagen, ich bin vergewaltigt worden, als tatsächlich vergewaltigt zu werden. Als würde man eine Todesnachricht überbringen. Man muss dabei zusehen, wie die anderen mit Abscheu reagieren. Für sie ist die Abscheu nur ein vorübergehendes Gefühl, etwas, das sie ablegen können. Aber in mir hat sie einen festen Patz, wie ein inneres Organ." Dieses Buch ist ein lohnenswertes Lesewagnis.