(Ohn-)Macht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
caro.booklover Avatar

Von

Der Klappentext verspricht nicht zu viel. Ich fand die Einblicke in diese zerrissene Gefühlswelt sehr eindrücklich. Einerseits unbändige Wut, andererseits die Zurückhaltung, nicht alles wieder hochkochen zu lassen. Einerseits die tiefe Verletztheit, andererseits die nach außen hin intakte Fassade. Heidi Furre hat sehr schön beschrieben, wie es einer Frau nach einer solchen Tat geht/gehen kann, auch wenn sie viele Jahre zurückliegt. Dass man eine solche Erfahrung nicht einfach abstreifen kann wie einen Mantel. Dass man nahe stehenden Personen, die nach der Tat ins Leben getreten sind, nichts darüber erzählen möchte, um nicht abgestempelt und bemitleidet zu werden und dadurch doch einen großen Einfluss auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung außen vor lässt, als wäre man nicht vollständig. Diese oft widersprüchlichen Empfindungen werden von der Autorin sehr gut beschrieben. Den sprachlichen Stil fand ich sehr angenehm. Für den 5. Stern fehlt mir am Ende noch etwas mehr Auflösung. Einerseits weigert sich die Protagonistin, in der Opferrolle zu verharren, andererseits entstand bei mir im Laufe des Romans nicht der Eindruck, dass sie sich wirklich daraus befreit hat. Das Ende würde ich einen Schritt zur Befreiung nennen, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie ihre darin sehr verhafteten Gedanken dadurch plötzlich loswird. Denkbar ist aus meiner Sicht auch, dass die Autorin bewusst keine vollständige Befreiung beschrieben hat, weil dieser Prozess wahrscheinlich auch mit professioneller Hilfe Jahre dauert.

Fazit:
Ein lesenswertes Buch, empathisch und nachdenklich machend über Machtgefüge und Opferrollen. Perfekt wäre es für mich, wenn die Befreiung am Ende greifbar wäre.