Schweigen

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Kundenrezension
Bürger-Häffner Astrid
2,0 von 5 Sternen Schweigen
Rezension aus Deutschland vom 14. Februar 2023
Gelesen: Heidi Furre „Macht“
Erscheint bei Dumont am 14.02.2023
174 Seiten
Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe

Das schwarz eingebundene Buch mit Lesebändchen und schwarzem Aufdruck sticht durch seinen rosa Schutzumschlag mit der großen Schrift des Titels ins Auge.

Der Schreibstil ist eigen und liegt nicht in der Norm. Es dauert eine Zeit, bis man versteht, was Liv umtreibt. Das Thema „Vergewaltigung" zieht sich wie ein Faden durch die gesamte Geschichte ebenso wie ihr Lebenskampf. Sie arbeitet jede Sekunde daran, die Macht über sich selbst zurückzugewinnen, die sie einst durch den „Vorfall“, wie sie es nennt, verloren hat. Ihr Weg mit der Vergangenheit umzugehen, war Schweigen. Die Geschichte zeigt uns auf, dass dies nicht die beste Entscheidung war. Als Leser ist man versucht ihr zu helfen, gleichermaßen aber auch, sie zu schütteln mit dem Rat, endlich herauszuschreien, was sie bis in ihre Träume verfolgt.

Eine Frau rennt nackt aus ihrem Haus auf die Straße. Ihr Mann wird in Handschellen abgeführt. Es gibt noch zwei Kinder.

Liv hat Angst. Geht sie nach Hause, dann nur auf beleuchteten Wegen, während sie mit ihrem Mann Terje telefoniert und ansagt, wo sie gerade ist.

Sie legt großen Wert auf ihr Äußeres. Sie schminkt ihr Gesicht weg. Gerne würde sie sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Sie entscheidet sich aber nur für Botox. Nur durch antrainierte sich immer wiederholende Abläufe funktioniert ihr Leben. Das Richten der Pausenbrote für Rosa und Johannes ist ein Ritual. Alles in ihrem Leben ist sekundengenau geplant. Störungen sind unerträglich. Nur mit punktgenauem Plan ist ihr die Bewältigung des Alltages möglich.

Sie arbeitet als Krankenpflegerin und nimmt koffeinhaltige Schmerztabletten zusammen mit Hustensaft, der die Beschriftung „Powerful Relief“ trägt. Danach geht es ihr etwas besser.

Die Tage, Stunden und Sekunden werden in jeder Lebenslage selektiert; während der Arbeit, beim Baden mit den Kindern, auf einer Party mit dem unwissenden Ehemann; ebenso wie im Supermarkt. Die Vergangenheit auszublenden gelingt ihr nicht. Täglich spielt sie durch, was gewesen wäre, wenn... Hätte sie ihren Vergewaltiger anzeigen sollen? Drei Jahre maximal hätte man ihn eingesperrt. Und dann...

Sie hasst es, die Einkäufe anderer Leute zu sehen. Sie findet es erniedrigend. Auf ihre eigenen Waren zu blicken, findet sie „vulgär“.

Allein auf der Welt zu sein, käme Liv gelegen. Hier denkt sie an den Roman „Die Wand“ von Marlen Haushofer.


Dass dieser Roman, wie man dem Klappentext entnehmen kann, ein Buch mit großer Schlagkraft ist, sehe ich nicht. Er behandelt das Thema „Vergewaltigung“ mit Konsequenz des Schweigens und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Lebensweges. Die Schilderung ist mir zu überspannt, auch wenn man die tägliche Not erkennt.