Der Augenstern

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igirl Avatar

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Luise wächst in einer Umgebung auf, die geprägt ist von sowohl Liebe als auch Missachtung und Ignoranz, von materiellem Reichtum als auch emotionaler Armut. Über allem schwebt die dominante Großmutter. Leni, die halt gebende Schwester Luises wird von der Großmutter bereits in jungen Jahren in ein Internat verbracht. So bleibt die junge Luise alleine zurück im herrschaftlichen Anwesen der Großmutter zusammen mit ihrer schwachen Mutter. Die Großmutter bestimmt die Regeln und das Verhalten ihrer Umgebung und welche (weiblichen) Personen sie duldet. Selbst als zwei tote Frauen am Ufer des Familienanwesens angeschwemmt werden scheint das die erwachsenen Frauen kaum zu berühren, so dass niemand der kleinen Luise beim Verarbeiten der Geschehnisse hilft. Luise flüchtet in ihre Gedankenwelt aus Geschichten und Interpretationen der Geschehnisse. Als die Großmutter stirbt prallen die Frauen der Familie mit ihren Lebensgeschichten und Verletzungen aufeinander.

Auf Männer kann diese Familie in der Tat verzichten, bei soviel Dominanz und Missgunst sind zusätzliche Männer total überflüssig. Nur schemenhaft erfährt man aus der Geschichte etwas über den Mann der Großmutter und den Vater von Luise und Leni. Völlig unklar bleibt der Verbleib des Vaters und die Rolle dieser Männer in der Familie.

Toll geschrieben ist das Buch, in einer Sprache, die Bilder zeichnet und das Kopfkino anwirft. Voller Details und Genauigkeit schildert die Autorin die Szenen und Geschehen aus der Sicht Luises. Manchmal verlor ich etwas den Faden vor lauter Detailverliebtheit. Auch trotz der peniblen Schilderungen konnte ich die facettenreichen Charaktere der verschiedenen Frauen und deren Rollen im Familienkonstrukt nicht vollständig erschließen. Einerseits erscheinen sie so verletzlich und gequält, andererseits tun sie genau dasselbe das sie selbst erleben: sie sind ebenso egoistisch, verletzend oder missgünstig. Oder ist es doch nur der Neid auf die Erbin und Großmutters Augenstern: Luise?

Wer so eine Familie hat braucht keine Feinde mehr. Beim Lesen dachte ich mir: Glücklich, wer keine Verwandtschaft hat, zumindest keine solche wie Luise und Leni.