Wie eine Frau zur Patriarchin wurde

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fraugroschberger Avatar

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Was für ein Buch! Ich bin durch Annika Reichs Roman "Männer sterben bei uns nicht" nur so durchgeflogen.

Luise, 30, Erbin eines stattlichen Anwesens am See, ist auf der Beerdigung der Großmutter (väterlicherseits) und nimmt uns durch Rückblenden mit auf das Anwesen am See, das sie mit ihren Großmüttern, ihrer Mutter, Tante, Schwester, Cousine und Haushälterin Justyna bewohnt hat. Männer sind abwesend und die Großmutter herrscht über alles und jeden als Matriarchin. Doch ist man eine Matriarchin, wenn das Handeln von patriarchalen Strukturen bestimmt wird? Wird man dann nicht eher zur Patriarchin? Luises Großmutter möchte unbedingt den schönen Schein wahren, ein Bröckeln der Fassade duldet sie nicht.

Nun ist doch aber die Frage, ob dieser schöne Schein und Traditionen denn wirklich so unbedingt aufrechterhalten werden müssen. Wer bestimmt, was sich gehört und was Tradition ist? Am Ende sind es immer die patriarchalen Strukturen, denen gefolgt wird. Wie großartig könnte doch aber das Leben der Figuren im Roman gewesen sein, wenn sie auf diese Konventionen gepfiffen hätten? Und wann ist es zu spät alte Muster zu durchbrechen?

Ein großartiger Roman, der mir durch das Spiel aus Gesagtem und Ungesagtem sehr viel Stoff zum Nachdenken gegeben hat.

Das Cover finde ich im Übrigen sehr passend zum Inhalt gewählt. Schönheit und Reinheit der Blumen, die teils reifen und teils unreifen Früchte, die Goldfische in der angeschlagenen Schale, von denen einer flüchtet oder gar verdrängt wurde... und das alles auf einem alten Holztisch, der schon viele Generationen gesehen haben dürfte.