Lebendige Figuren und Sommer-Vibes (4,5 Sterne)

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
sofiasworldofbooks Avatar

Von

Vielen lieben Dank an den Ullstein-Verlag und vorablesen.de für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das deutsche Cover ist mit der Frau, die anscheinend Nina Riva darstellen soll, ganz anders als die Originalcover, wobei mir da besonders das von Random House UK mit der rosa, lila und blauen Farbgebung besonders gefällt. Trotzdem finde ich das deutsche Cover mindestens ebenso gelungen, wenn nicht sogar besser! Einerseits vermittelt es durch die warmen Farben das gleiche sommerliche Gefühl wie die Originalcover, andererseits steht hier die Frau im Fokus, was insofern gut zum Inhalt passt, als dass es hier natürlich um Ninas (Familien-) Geschichte geht.
Dass der Originaltitel übernommen wurde, finde ich sehr gut, da er inhaltlich gleich mehrere Bedeutungen hat.


Meine Meinung:
Wer meine Stories und Jahresrückblick-Posts Ende letzten Jahres verfolgt hat, hat sicher mitbekommen, dass ich im Dezember 2022 ein wahnsinnig großes Highlight hatte: „The Seven Husbands of Evelyn Hugo“ von Taylor Jenkins Reid. Die Art und Weise, wie die Autorin die fiktive Figur Evelyn Hugo porträtiert hat, hat mich nachhaltig so wahnsinnig beeindruckt und berührt, dass ich beschlossen habe, die gesamte Backlist der Autorin zu lesen. Wie sie es schafft, ihre Figuren zum Leben zu erwecken und zu dem Leser eine Bindung aufzubauen, ist einfach einmalig.

Als ich dann gesehen habe, dass „Malibu Rising“ bei Vorablesen.de verfügbar ist, habe ich die Gelegenheit genutzt direkt meine Bonuspunkte dafür eingelöst. Und auch hier kann ich wieder nur sagen: Ich habe riesigen Respekt vor der Autorin!

Zwar kommt die Geschichte von Nina Riva nach meinem Empfinden nicht ganz an Evelyns heran, was vor allem an folgenden Aspekten liegt:
Die gesamte Handlung des Buches wird um die große Party von Nina herum aufgebaut, die am Ende des Buches stattfindet. Vor allem im Mittelteil ist allerdings nicht so ganz klar, in welche Richtung sich die Autorin eigentlich entwickeln möchte. Ein roter Faden ist nur schwach erkennbar und man fragt sich zunehmend, was denn nun der Sinn des Ganzen ist.
Das führt dazu, dass sich die Handlung in der Mitte des Buches etwas zieht. Das ist dann wohl auch der Grund dafür, dass „Malibu Rising“ nicht die gleiche Sogwirkung auf mich hatte wie „The Seven Husbands of Evelyn Hugo“. Da es aber auch in „Malibu Rising“ vor allem um Nina und ihre Familie geht und die Handlung an sich eigentlich eher nebensächlich ist, fällt dieser Aspekt nicht so stark ins Gewicht. Denn auch wenn das Buch inhaltlich nicht sonderlich mitreißend ist, können die Figuren auch hier doch wieder überzeugen – dazu aber gleich noch mehr.

Die zweite Kleinigkeit, die mich an „Malibu Rising“ nicht zu 100% überzeugen konnte, war die Party an sich. Die Geschehnisse dort sind filmreif, völlig wirr und fast schon eine karikaturistische Darstellung der Reichen und Berühmten Hollywoods. Vermutlich wollte die Autorin auch genau das damit ausdrücken und somit einen Kontrast zu Nina schaffen, bei der man schon von Anfang an merkt, dass sie anders als ihre Eltern und ihr näheres Umfeld so gar nicht nach Hollywood zu passen scheint. Insofern ist das alles objektiv betrachtet also durchaus sinnvoll und sogar sehr intelligent dargestellt.
Für mein Empfinden war es jedoch etwas zu viel und demgegenüber die Auflösung am Ende zu wenig spektakulär – was aber wiederum auch Ninas Charakter widerspiegelt. Ihr seht: Das Buch nimmt einen so oder so stark mit! :D

Da dieser Punkt aber sehr stark subjektiv geprägt ist und, wie gesagt, in Bezug auf die Figuren und den Inhalt durchaus nachvollziehbar und logisch ist, will ich es nur erwähnen, aber besonders stark auf meine Bewertung hat es sich nicht ausgewirkt.


Die große Stärke von „Malibu Rising“ sind dagegen, wie erwähnt, die Figuren, die von Seite 1 an so schillernd und lebensecht sind, dass man völlig vergisst, dass es sich hierbei ja gar nicht um eine Abhandlung um das Leben von echten Menschen handelt, sondern um eine gänzlich ausgedachte Geschichte. Dieses Gefühl erweckt die Autorin wie sonst keine Zweite, und das hat mich auch schon an „The Seven Husbands of Evelyn Hugo“ begeistern können.
Zwar ist Nina Riva nicht ganz so greifbar und nahbar wie Evelyn Hugo, aber auch ihre Geschichte und die ihrer Familie reißt mit und lässt einen alle Emotionen spüren.

Dabei wird die Geschichte in der Gegenwart in einem Tag in den Abschnitten von 7 bis 19 Uhr (die Zeit vor der Party) und von 19 bis 7 Uhr (die Party und die Stunden danach) erzählt, während man parallel Ninas Eltern in der Vergangenheit kennenlernt und erfährt, wie sie und ihre Geschwister sich zu den Personen entwickelt haben, die man in der Gegenwart begegnet.
Anfangs ist dabei Vieles noch unklar, aber je näher die Vergangenheit der Gegenwart kommt und je näher der Tag in der Gegenwart der Party um 19 Uhr rückt, desto klarer wird das Bild, das die Autorin von Nina und ihrer Familie erzählt.
Dabei geht es, wie erwähnt, weniger um einen bestimmten Plot, sondern vielmehr um die Charakterisierung der Familie selbst. Die Autorin erzählt von Verletzlichkeit, Vertrauensbrüchen, Zerstörung, Sucht, Krankheiten, von Liebe, Heilung, das Vertrauen unter Geschwistern. Es geht um das pure Leben an sich, darum, was wir von unseren Eltern mitbekommen, was wir daraus machen, wie wir uns von toxischen Verhaltensweisen unserer Eltern lösen können und unser eigenes Leben gestalten; es geht darum, das anzunehmen, was uns mitgegeben wird, um dann über uns hinauszuwachsen und eigenständige Persönlichkeiten zu werden.

„Endlich bekam sie genug Luft, um in sich ein Feuer zu entfachen.“ (S. 320/430)

Taylor Jenkins Reid porträtiert auf beeindruckende, emotionale Weise eine lebhafte, dynamische, schillernde Familie mit vielen Problemen, dunklen Seiten und schwierigen Zeiten, die vor allem eins ist: echt.


Das erreicht sie insbesondere auch durch ihren einzigartigen Schreibstil, der sich dadurch auszeichnet, dass sie sehr viel zwischen den Zeilen sagt, anstatt es ausdrücklich auszusprechen. So wird beispielsweise der Kontrast zwischen Nina und ihrer Mutter immer wieder darin deutlich, wie Nina sich selbst sieht, wo sie ihre Prioritäten setzt und wie sie mit ihren Geschwistern umgeht. Trotzdem lässt sich auch nicht leugnen, dass sie wesentlich durch den Charakter und das Verhalten ihrer Mutter geprägt wurde: Zwar verhält sie sich oft völlig gegensätzlich zu ihrer Mutter, aber man merkt auch immer wieder, dass sie einige Charakterzüge von ihr übernommen hat.
Darauf wird der Leser, wie gesagt, nicht ausdrücklich mit der Nase gestoßen. Stattdessen entwickelt sich das Erkenntnis des Lesers nur schleichend im Laufe der Geschichte, wenn man June und Nina besser kennenlernt. Dadurch wird das, was die Autorin eigentlich sagen will, noch viel bedeutsamer und bekommt viel mehr Gewicht, als wenn sie die Konflikte der Protagonisten ausdrücklich angesprochen hätte.
Darüber hinaus ist aber, denke ich, genau dieser Aspekt auch der Grund dafür, weshalb die Figuren, die TJR schafft, gerade so schillernd und lebensecht wirken – und zwar nicht nur die beiden Protagonistinnen Nina und June, sondern auch alle Nebenfiguren, die wichtigen wie die unwichtigen (wobei man bei der Autorin wohl auch infrage stellen könnte, ob es überhaupt unwichtige Figuren gibt, da alles miteinander verwoben ist und jeder auf jeden Einfluss nimmt).
Das ist die große Stärke nicht nur des Buches sondern auch der Autorin, die sie von vielen anderen unterscheidet und deutlich abhebt. Eigentlich schon nach „The Seven Husbands of Evelyn Hugo“, aber spätestens jetzt zählt Taylor Jenkins Reid zu meinen Lieblingsautor*innen!


Fazit:
Eine schillernde, emotionale Geschichte mit lebhaften, dynamischen Figuren über Familie, Geschwister, Liebe, Zerstörung und Heilung; über das Leben, darüber, was uns unsere Eltern mitgeben, und wie wir unser eigenes Leben schaffen.
Im Mittelteil zieht sich die Handlung nach meinem Empfinden etwas und was alles bei der Party abging, und warum, habe mittlerweile zwar schon verstanden, aber ganz überzeugen konnte mich dieser Punkt dann doch nicht. Trotzdem ist „Malibu Rising“ ein weiteres Highlight einer großartigen Autorin, die es wie keine Zweite versteht, lebensechte, greifbare Figuren zu schaffen, die ihre Geschichten vor allem zwischen den Zeilen erzählen.
Großes Kino! Wer noch kein Buch von TJR gelesen hat, sollte das SCHLEUNIGST ändern!
4,5/5 Lesehasen.