Unter der Oberfläche brodelt es

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„Daisy Jones & The Six“ von Taylor Jenkins Reid ist einer meiner Lieblingsromane. Die Geschichte rund um eine fiktive 1970-er Rockband in Kalifornien konnte mich vor allem stilistisch begeistern – Oral History wird als Stilmittel eingesetzt. Im Rückblick erzählt die Band, die sich auf dem Höhepunkt des Erfolges trennte, mehr als zwanzig Jahre später in Interviews von den Höhen und Tiefen. “Recollections may vary“ – dieser Kommentar der britischen Krone drängt sich förmlich auf. Inspiriert war die Erzählung vom legendären Fleetwood-Mac-Drama während den Aufnahmen zu “Rumours“, Daisy Jones und Billy Dunne erinnern stark an Stevie Nicks und Lindsey Buckingham, die Streamingserienadaption ist aber einfach nur schlecht, man sollte sich lieber an die literarische Vorlage halten. Das spannende Buch hatte ich in wenigen Tagen ausgelesen, als nächstes las ich “Evidence of the Affair“ von Reid; auch diese Kurzgeschichte konnte mich begeistern.

„Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ fand ich hingegen langweilig, der Roman besteht aus ein bisschen Old Hollywood (Liz Taylor lässt grüßen) und der zeitgeistigen story (identitätspolitische Themen werden gestreift) rund um eine junge Journalistin. Hat sich Taylor Jenkins Reid mittlerweile auf Geschichten aus der Welt der kalifornischen Schönen & Reichen spezialisiert?
In „Malibu Rising“ führt ein auktorialer Erzähler durch das Geschehen. Die Haupthandlung des neuen Romans setzt 1983 ein – ein Feuer bildet den negativen Höhepunkt der Geschichte (angekündigt wird er schon im Prolog), und überhaupt geht es um schwelende Konflikte, da „Malibu Rising“ im Kern ein Familiendrama ist. Am besten gefiel mir dabei der Erzählansatz, die Geschehnisse von vierundzwanzig Stunden im August aus verschiedenen Perspektiven zu präsentieren. Im kalifornischen Malibu schmeißen die berühmten Riva – Geschwister ihre alljährliche Sommerparty, business as usual. Bis es zur Katastrophe kommt. Die Geschichte beginnt mit der kürzlich für Carrie Soto verlassenen 25jährigen Nina Riva. Das Surf-As arbeitet auch als Mannequin für Bademoden, der Bruder Hud ist ein berühmter Fotograf, die kleine Kit ist das Nesthäkchen, der athletische Jay ist Surfweltmeister. Es gibt Rückblenden, ein Zeitsprung führt den Leser zurück in das Jahr 1956, als die Eltern der Riva – Geschwister, June & Mick, sich kennenlernten. Deren Amour fou nahm kein glückliches Ende, der unzuverlässige Sänger Mick, der als junger Mann aussah wie „Monty Clift“, verließ die Familie (anders als etwa Billy Dunne in „Daisy Jones & The Six.“), Mutter June wurde suchtkrank.
„Malibu Rising“ beschäftigt sich mit den langen Schatten der Vergangenheit. Die große Stärke des Romans liegt in den wunderbaren Landschaftsbeschreibungen, beim Lesen spürt man förmlich den Wind und die Wellen. Auch die Figurenzeichnung und - entwicklung ist gelungen, thematisch fängt Taylor Jenkins Reid jedoch an, sich zu wiederholen, die Frage nach der Orientierung ihrer Figuren wurde eigentlich schon in „Evelyn Hugo“ abgedeckt, auch die Dialoge sind nicht unbedingt mein Fall. Außerdem lässt die Autorin immer wieder (und sei es nur via Namedropping) Protagonisten aus ihren anderen Romanen auftreten. Intertextualität? Nein, ich finde es ein wenig affig, und irgendwie ist es auch die absolute Kommerzialisierung von Literatur, auf mich wirkt es eitel.

Fazit:
Der Roman rund um eine amerikanische Sippe ist ganz okay, zu hundert Prozent mitreißen konnte mich die story über Familiengeheimnisse in Kalifornien aber nicht. Ich habe die Printausgabe gelesen, potenziellen Lesern rate ich aber zum E-book, da die kleine, nicht wirklich schwarze Schrift im Taschenbuch auf Dauer anstrengend für die Augen ist. „Malibu Rising“ ist langweiliger als „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ und nicht ganz so packend wie „Daisy Jones & The Six“.