Back in the Summer of 99

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fraedherike Avatar

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"Die Möglichkeiten sind unendlich. Wenn man eine Geschichte schreibt, meine ich. Wo und wann diese beginnt. Wie man sie verzweigt, wie Handlungsstränge und Figuren sich treffen und gegenseitig beeinflussen. Und wie die Geschichte endet. Man kann es sich aussuchen. Solange man nicht weiß, wie es wirklich ausgegangen ist." (S. 203)

Niemals hätte Pascal gedacht, dass dieser eine letzte Tag des Sommers, der 31. August 1999, ihm so viel bedeuten, sein Leben für immer verändern würde. Zunächst scheint alles wie immer, die Sonne knallt auf den Asphalt und lässt die Luft flimmern, sein Heimatort Bodenstein liegt in sommerlicher Trägheit. Doch während die anderen Spaß im Freibad oder im Skatepark haben, wünscht sich Pascal nur, dass dieser Sommer endlich zuende geht. Er hat den Spaß am Sommer verloren, seit er nicht mehr schwimmen gehen kann. Wieso, weiß nicht einmal sein bester Freund Viktor. Stattdessen hängen sie zuhause ab oder spielen "Tony Hawk Pro Skater" auf der Xbox - und dann fällt plötzlich Jacky, dieser rothaarige Wirbelwind, in ihre Welt. Nur ein gemeinsamer Tag bleibt ihnen, denn am nächsten Tag würde der Zirkus, mit dem sie in der Stadt ist, seine Zelte abbauen. Ein Tag wie ein Leben, die Zeit scheint stillzustehen - und Pascals Bestreben, sich nicht zu verlieben, niemals!, schmilzt unter Jackys blauen Augen dahin.

„Jeder von uns hat diese Menschen, an die man ab und an denkt und bei denen wir uns fragen, wie ihre Geschichte weiterging.“

Die Luft flimmert warm und golden, den Geruch von Sonnencreme auf der Haut, das Salz der Pommes im Freibad an den Fingern - und im Kopf dieses eine Lied, "Dream of Californication", Soundtrack eines Sommers. Genau das sind die Vibes, die Christian Huber mit seinem Romandebüt "Man vergisst nicht, wie man schwimmt" in mir weckte. Auf melancholische Art wohltuend und wärmend erzählt er, verdichtet auf einen einzigen langen Tag im Jahr 1999, die Coming of Age-Geschichte des 15-jährigen Pascal, genannt Krüger, einem in sich gekehrten, aber unglaublich kreativen und empathischen Jungen, dem seit seiner Kindheit drei schwerwiegende Geheimnisse auf der Seele liegen. Um all das, was er erlebt und fühlt, zu verarbeiten, schreibt er Geschichten, nur für sich. Doch auch das scheint ihm nicht zu helfen, einfach unbeschwert zu leben, diese Hürde zu überwinden, die ihn zurückhält und all das hinter sich zu lassen und sich zu öffnen. So lebt er einfach vor sich hin, bis: Jacky. Dieses Mädchen mit den roten Haaren. Im Begriff, eins der neuen Nokias zu klauen, fällt sie auf der Flucht vor dem Ladenbesitzer in sein Leben, als er und Viktor gerade in demselben Laden Xbox zocken - nicht ahnend, dass das ihren Tag - und Krügers Leben - völlig auf den Kopf stellen soll. Das Zirkusmädchen lockt Krüger aus der Reserve, schafft es, die Mauern, die er um sich baute, sanft zum Fallen zu bringen. Und sogar seine Regeln abzulegen, wohlwissend, dass dies ihr erster und einziger gemeinsamer Tag sein würde.

Dieses Buch ist wie eine warme Umarmung, ein Kaleidoskop zurück in die Kindheit, als jeder Tag unendlich schien, unbeschwert und sorgenlos; es lässt einen die Welt draußen einfach vergessen. Die Art und Weise, wie Christian Huber seinen Protagonisten Pascal behutsam, beinahe zaghaft, sich immer weiter öffnen, im übertragenen wie im Wortsinn Schicht um Schicht ablegen lässt, zu erfahren, wie er Mut fasst und an allem, was ihn zurückhielt, wächst - das ist ganz groß. An manchen Stellen erschien es mir alles ein bisschen drüber, ein bisschen zu gewollt, und doch hat dieses Buch wirklich gut getan. Muss ja auch nicht immer alles bis ins Kleinste auf Glaubwürdigkeit seziert werden, manchmal will man auch einfach nur vor der Realität fliehen, Kopf aus und weg. Davon mal abgesehen, habe ich aber auch viel aus dem Buch mitgenommen, und das zählt am Ende noch viel mehr als alles andere: Steh zu dir selbst, und sei mutig. Wozu auf später warten, ergreife jetzt deine Chance, lebe und liebe im Hier und Jetzt, denn das kann dir niemand zurückbringen.