mit Liebe gegen das Vergessen

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elohym78 Avatar

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Für Marigold ist es das Wichtigste im Leben, ihre Familie glücklich zu sehen. Sie ist der gute Geist, der alle umsorgt, pflegt und für sie da ist. Nicht nur für ihren Ehemann Dennis, den sie nach vierzig Jahren immer noch so liebt, wie am ersten Tag, sondern auch für ihre beiden erwachsenen Töchter Suze und Daisy. Während Suze mit einem Instagram-Account versucht, ihren Weg als Influencerin zu machen, kehrt Daisy nach einer gescheiterten Beziehung aus Italien zurück nach Hause. Selbst Nan, Marigolds Mutter hat ein Heim bei ihrer Tochter gefunden, da die alte Dame nicht mehr für sich sorgen kann und eine Unterbringung im Heim nicht in Frage kommt. Marigold ist der Motor, der alles am Laufen hält. Der Klebstoff für den Familienzusammenhalt. Mit ihrer Liebe erschafft sie ein Paradies.
Doch was ist, wenn sich plötzlich ein Nebel über Marigolds Gedanken legt und immer mehr Gedanken, Erinnerungen und Personen verschluckt? Verliert Marigold sich selbst und ihre Familie?

Das Cover zeigt eine wunderschöne Küstenlandschaft. Eine Steinbrücke hilft beim Überqueren eines Flusses, Blumen blühen und ein Vogel befindet sich mit aufgestelltem Gefieder im Landeanflug. Das Bild wirkt friedlich, voller Versprechen auf eine glückliche Zukunft. Aber durch die Brücke scheint es auch ein Sinnbild für die Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft zu sein; Loslassen und einen neuen Weg beschreiten, so ungewiss er auch sein mag. Und wenn du nicht weißt, wo der Weg dich hinführt, erfreu dich an den kleinen Dingen, denn die helfen und schützen die Seele.

Julia Woolf hat einen sehr intensiven, berührenden Schreibstil, der mir unter die Haut ging. Sie nahm mich mit in eine Familie, die wie jede andere Familie auch ist und sich doch abhebt, denn sie haben Marigold. Marigold ist wie eine Zudecke, die ihre gesamte Familie umschließt. Sie möchte, dass es allen gut geht und sieht dies nicht als Pflicht, sondern als Geschenk an, sich um andere kümmern zu dürfen. Eine Frau mit einem Herzen aus Gold. Besonders schön fand ich die unterschiedlichen Generationen und daraus resultierenden Charaktere, von modern genervt bis hin zu altersstarrsinnig. Es ist einfach herrlich, diese Familie erleben zu dürfen. Und dies wie ein Mitglied dieser und nicht als Beobachter von außen.
Julia Woolf zeichnet eine im Großen und Ganzen harmonische Familie. Klar, hier und da könnte es besser laufen, aber wer will schon ein perfektes Leben? Gerade die Einzigartigkeit der Charaktere lässt das Leben spannend und wunderbar erscheinen. Zumindest für eine Mutter wie Marigold, die voller Liebe für ihre Familie sorgt, egal welches Alter sie haben.
Doch als Marigold an Demenz erkrankt, dreht sich ihr Leben komplett. Nicht nur, dass sie unter der Vergesslichkeit leidet, vielmehr leidet sie darunter, nicht mehr ihren Laden führen zu können, für ihre Familie da zu sein und in ihre diversen Komitees helfen zu können. Ihr Leben zerfällt und sie kann nur hilflos zu sehen. Bemerkenswert, wie anschaulich, berührend und tiefgreifend Julia Woolf dies schildert. Ich habe geweint, gelacht und das Schicksal verflucht und alle bewundert, die es schafften, den Kampf nicht aufzugeben!
Trotz der Diagnose der Mutter, führt die Familie ihr Leben weiter, denn dies ist es, was Marigold sich wünscht. Nicht Stillstand, sondern Leben! Nan motzt weiter, Dennis hilft jedem, der Hilfe benötigt, Suze heiratet ihren Jugendfreund und auch für Daisy scheint sich eine neue Liebe anzubahnen. Und Marigold? Sie wird von ihrer Familie getragen und mitgenommen. Nicht abgeschoben, abgestellt und vergessen. Ich bewundere die Kraft und den Willen aller, dies ihr zu ermöglichen. Und auch den unbändigen Lebens- und Liebeswillen, den die Familie an den Tag legt.

Mein Fazit
Julia Woolf hat meine Seele berührt!