4,5 Sterne für Amore regge senza legge! Liebe kennt kein Gebot

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elke seifried Avatar

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Marina, Marina,… die Frau des Friseurs im kleinen Küstenort Sant Ámato bewegt die Gemüter. Während die zugezogene Römerin aus ärmlichen Verhältnissen so mancher Dame ein Dorn im Auge ist, verzehrt sich nicht nur ein männliches Herz nach ihr. Jüngster Verehrer ist Nino. Der Dreizehnjährige ist rettungslos in die Mutter seines besten Freundes verliebt. Doch leider kann diese seine ganzen anonymen Liebesbemühungen so gar nicht zuordnen, macht ihr doch noch ein anderer schöne Augen, denen sie ebenfalls nicht abgeneigt ist. Wenn da nur nicht die Familie und ihr guter Ehemann wären.

So nehmen in dem kleinen Küstenort an der Rivera ganz viel Amore und Leidenschaft ihren Lauf. Man bekommt viel Dorfleben geboten, bei dem alle irgendwie verwandt und verschwägert sind. Ganz besonders ein Verhältnis mit einem angesehenen Mann im Ort, das nicht ohne Folgen bleibt, bringt die Einwohner in Wallung. Dazwischen finden sich zusätzliche Episoden von Italienurlaubern und solchen, die das Geschehen am Rande streifen. Auch wenn bei diesen nicht immer ganz klar ist, wohin die Autorin mit ihrer Gesamtgeschichte hin will und auch nicht alles zum Fortgang der zentralen Handlung um die Dorfbewohner nötig gewesen wäre, lassen eine diese toll im Italien der 60er Jahre versinken.

Der lebendige, flüssige Sprachstil der Autorin hat mir von Anfang an gut gefallen. Auch wenn vielleicht hier und da, besonders anfänglich eine kleine Länge entstand, habe ich immer gern gelesen. Ich konnte beim Lesen auch immer wieder schmunzeln, was ich immer mag. So finden sich immer wieder pointiert, witzige Aussprüche wie „Du bist doch ein Lanteri, auch wenn du jetzt ein Leben als Fisch vorziehst, Madonna als Fisch! Ich versteh´s nicht. Immerzu nur im Wasser. Algen sammeln, Muscheln zählen. Tiefe messen, mein Gott, das Meer ist tief und groß, ja und?!“ von Ninos Mutter, die so gar nicht verstehen will, dass ihr Sohn nicht in die Fußstapfen der Familientraditon treten will. Grit Landau gelingt es zudem unheimlich viel Gefühl in die Geschichte zu legen. Bei tiefen Enttäuschungen angefangen, über Demütigungen, die stillschweigend ertragen werden, bis hin zu unbeschreiblich großen Sehnsüchten, bietet sie ein breites Spektrum, das ich miterleben konnte. Äußerst gelungen fand ich dabei auch die kursiven Einschübe, die den Gegensatz zwischen Gesagtem und Gedachten so gut deutlich machen. So konnte ich noch tiefer in die einzelnen Mitspieler blicken. Sie baut auch zunehmend Spannung auf, indem sie die Beziehungen der einzelnen Mitspieler gekonnt miteinander verwebt.

Grit Landau ist es gelungen ihren Charakteren unheimlich viel Profil zu verleihen, was mir sehr gut gefallen hat. Ich hatte von den allermeisten ein ganz präzises Bild vor meinen Augen. Der Personenbeschreibungen, die man zu Beginn geliefert bekommt, habe ich daher so gut wie nie bedurft. Einzig beim kleinen historischen Exkurs ins Jahr 1944 hatte ich Probleme die Namen immer so richtig zuzuordnen, da auch die Vornamen der Väter und Mütter in der Aufstellung fehlten. Ich kann gar keine besondere Lieblingsfigur ausmachen, alle sind toll gezeichnet und entwickeln sich enorm. Marina mochte ich auf jeden Fall von Anfang an gerne, so eine kleine Giftspritze wie Nunziata Lanteri tut einer jeden Geschichte gut und auch Matteo, der vom Profifußball träumt oder Beppes Träume vom Leben als Selfmademan haben mich sehr gerührt.

Der Autorin hat mich mit auf eine Italienreise genommen. Olivenfelder, Olivenernte, Aufenthalte an abgelegenen verträumten Stränden, italienische Köstlichkeiten wie sugo alle vongole oder involtini, die einem den Mund wässrig machen, und immer wieder auch italienische Aussprüche machen das Italienfeeling perfekt. Gut dazu gefällt mir auch das Glossar am Ende, sodass trotz zahlreicher Wendungen keinerlei Verständnisprobleme entstehen können.

Grit Landau schickt einen gekonnt zurück in die 60er Jahre. Der Italienurlaub wird für uns Deutsche modern, der Bikini hat sich noch nicht bei allen durchgesetzt und die Wahl zur Lady Italia bzw. zur Lady Europa hat noch ein ganz besonderes Flair. Schalplatten sind der Renner, die Filmstars aus Hollywood sind erst so richtig am Kommen, aber auch sind die Nachwehen des zweiten Weltkriegs sind noch deutlich zu spüren, haben sie doch Land und Leute geprägt. Um dies besser verstehen zu können, bekommt man zudem noch einen kleinen Exkurs ins Jahr 1944.

Der Roman ist auch eine Hommage an die alten italienischen Schlager, die damals jedem im Ohr waren. Jedes Kapitel beginnt mit einer zwischengeschobenen extra Seite, die ein Zitat aus einem Liedtext und einen kurzen Text mit Infos zu Lied und Künstler bietet. Meist werden die Zitate auch im nachfolgenden Text aufgegriffen. Ich habe mir oft im Internet auch die Lieder dazu angehört, was das Italienfeeling noch verstärkt hat.

Erwähnen möchte ich auch noch die Rezepte, die man am Ende geliefert bekommt, auch wenn ich persönlich darauf verzichten hätte können, hören sie sich super lecker an. Aber ich bekomme am platten Land nicht solch leckere, frische und regionale Zutaten und bin auch kein so großer Koch, als dass ich das auch annähernd so gut hinbekommen würde, wie ich es beim Lesen auf der Zunge meinte zu haben. Dankbar bin ich aber um das tolle Nachwort, das noch interessante Details zum Wahrheitsgehalt der Geschichte offen legt.

Alles in allem hat mich die Autorin mit ihrem „Marina, Marina“ wirklich einen tollen, kleinen Ausflug ins Italien der 60er erleben lassen. Für fünf Sterne reicht es nicht ganz, aber sehr gute 4,5 sind auf jeden Fall drin.