Liguria mi amore

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kleine hexe Avatar

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Ein wunderschönes Buch das in mir die Sehnsucht nach Ligurien geweckt hat. Ich habe selber auch mal einen Sommer da verbracht, in Marina di Andora neben Laigueglia, also ganz in der Nähe des Capo Mimosa und des fiktiven Dorfes Sant’Amato. Die ligurischen Alpen bewachsen mit Oliven- Feigen- und Maronenbäumen, Zypressen, Kapernbäumen und –sträuchern, begleiten einen auf den engen Wegen, versteckte uralte Dörfer, aufgelassene Gehöfte, laute Grillen, die lauter werden, je mehr wir uns ihnen näherten. Und ja, ich spürte, dass Ligurien neben dem herrlichen Sommer und Urlaubsfeeling auch eine eigene dunkle Geschichte hatte. Grit Landaus Buch vermittelt genau dieses alles. Die raue ligurische Landschaft, in der sich in den Kriegsjahren die Partisanen versteckten um die Besatzer zu bekämpfen, den Küstenlandstrich der sich seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dank der Touristen stark entwickelt hat und die Dörfer in den Bergen menschenleer machte. Und vor allem die Menschen dieser Gegend kommen da zu Wort. Wie überall leben und lieben sie, sie hassen sich, sind sich gleichgültig, aber alles mit einer unglaublichen Intensität. Sei es eine eifersüchtige Frau die nur um der verhassten Nebenbuhlerin eines auszuwischen versucht ihr Kind zu ertränken, oder ein Junge der die Mutter seines besten Freundes von weitem anhimmelt, ohne zu merken, dass sein ärgster Nebenbuhler sein eigener Vater ist; der Junge, der ein reiches Mädchen liebt und obwohl ihr Vater seine Karriere als Fußballer zerstört trotzdem auf das Mädchen wartet und sie dann endlich auch heiratet denn der ehemals gefährliche Kriegsgewinnler und Vater ist nun alt und krank und muss die Entscheidung seiner Tochter für diesen Mann akzeptieren. Oder die junge Frau, Gattin des Dorfpolizisten und Mutter zweier Kinder die aber unbedingt Schönheitskönigin werden will, bereit alles zu opfern um aber im letzten Augenblick sich doch für die Familie, für ihren Mann und ihre wunderbaren Kinder zu entscheiden. Und dann ist da Marina. Wunderschön, die Männer lieben sie, die Frauen schneiden sie, und sie versucht zwischen ihrem älteren Mann und ihrem Geliebten zu lavieren, ihre Seele zu bewahren. Nach dem Tod ihres Mannes zieht sie fort aus diesem Dorf in dem sie immer eine Fremde geblieben ist und macht Karriere als Schauspielerin in Rom. Marina wird dann letztendlich im Tod mit ihrem Geliebten vereint sein. Und unter all diesem brodelnden Leben, von den 60er bis in die 80er Jahre liegt die dunkle schwere Vergangenheit der Kriegsjahre, Geheimnisse, Verrat, Sühne und Rache die bis in die 80er Jahre nachhallt und das Schicksal der Kinder und Enkelkinder noch bestimmt.
Die Kinder der Kriegseltern schaffen es aber sich von den Zwängen und dem vorbestimmten Schicksal der Kriegsgeneration zu befreien. Nino wird nicht Olivenbauer, trotz dem riesigen Druck der ehrgeizigen Mutter, sondern erfüllt sich seinen Traum als Meeresforscher. Matteo kann sich zwar seinen Traum als Starfußballer nicht erfüllen, aber letztendlich heiratet er die Liebe seines Lebens, die schöne Isabella. Beppo entkommt der Armut, baut das angesagteste Hotel und Lokal der Küste auf, in dem alle Größen des Jetset sich die Klinke in die Hand geben.
All dies pralle Leben wird in einer einfachen schnörkellosen Sprache beschrieben (so wie die Menschen hier auch sind) durchsetzt mit italienischen Ausdrücken, die das Lokalkolorit unterstreichen, den Text mit Farbe und Würze füllen. Genau wie die Speisen die im Buch erwähnt und am Ende in Rezepten wieder gegeben werden, „per i sentimenti italiani“, und dann das Titelbild, das junge Mädchen, das sichtlich den Sommer, das Meer und das Leben in vollen Zügen genießt.
Die Lieder zu Anfang der Kapitel sind wahre Gassenhauer, die auch bei uns von den Spatzen von den Dächern gepfiffen wurden, sie erfüllen doppelte Funktion: einmal unterstreichen sie die Zeit in der die Kapitel im Roman spielen, und zum anderen erleichtern sie uns den Zugang zur Handlung. Und vielleicht, aber nur vielleicht wecken sie in manchen die Liebe zur Musik vor Hip Hop und ultraschnellen Sprechgesängen mit obszönen Gesten (neudeutsch RAP).