Jahreshighlight!

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„(…) Diese Frauen waren tot, aber was ihnen widerfahren war, war noch immer in der Welt, in anderem Gewand, zerstoben, verändert, aber es war noch da, es widerfuhr wieder, es widerfuhr anderen. (...) War das der Grund, warum sie in dem Leben der anderen Frau herumwühlte? Weil man im Leben einer jeden anderen Frau auch immer etwas über sich selbst herausfand und gleichzeitig über alle anderen?“

Nach „Bergland“ ist Jarka Kubsova mit „Marschlande“ ein weiterer bemerkenswerter Roman gelungen. Sie verknüpft die Geschichten der beiden Protagonistinnen äußerst geschickt; abwechselnd spielen die Kapitel in der Gegenwart bei Britta und bei Abelke, die Ende des 16. Jahrhunderts im Hamburger Marschland lebte. Je mehr sich Britta mit Abelkes Geschichte beschäftigt, desto mehr lernt sie nicht nur über die Frau selbst sowie die Hexenverfolgung, der sie brutal zum Opfer fiel, sondern sie begegnet sich auf dieser Reise durch Abelkes Leben selbst.

Einerseits verbindet die Landschaft die beiden Frauen, auch wenn sie 500 Jahre voneinander getrennt am selben Ort leben und unterschiedlich auf das Land angewiesen sind. Andererseits verbindet sie auch das Frausein und Britta - und auch ich als Leserin - muss erkennen, wie erschreckend aktuell Themen, die in Abelkes Leben eine große Rolle spielten, nach wie vor sind. Kubsova führt dabei nicht nur die von Männern dominierte Gesellschaft vor und zeigt auf, dass es noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung ist - sie schafft das, ohne dabei auf feministische Fachbegriffe, etc. zurückzugreifen, denn die Geschichten von Abelke und Britta, ja selbst die Geschichte von Brittas Teenie-Tochter, sprechen für sich. Ungerechtigkeit, Ungleichheit und auch Gewalt an Frauen werden deutlich auf erzählerischer Ebene. Nicht nur der Roman, auch das Nachwort hallt nach. Darin geht die Autorin nochmals auf die reale Person Abelke Bleken ein und kontextualisiert die Hexenverfolgung und den Umgang in der Gegenwart mit dieser dunklen Epoche, die wohl kaum eine Region in Deutschland verschont hat.

Wenn ich nicht am nächsten Morgen raus gemusst hätte, hätte ich die ganze Nacht durchgelesen.