Sehr guter Stoff

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Das Buch ist sehr geschmackvoll gestaltet. Der Titel ist gut gewählt und das Titelfoto passt ausgesprochen gut zum behandelten Stoff. Das Thema des Buches ist meines Erachtens sehr aktuell und sehr wichtig.

Britta ist eine moderne, gut qualifizierte Frau Mitte Vierzig und durchlebt ein typisches Frauenschicksal unserer Zeit: Sie heiratet, bekommt Kinder und damit beginnt die berufliche Gefährdung sowie in gewisser Weise auch ein sozialer Abstieg, die zeitliche und finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann im repräsentativen Job. Der Umzug heraus aus Hamburg in die Marschlande verschärft diese Situation. Am neuen Wohnort entdeckt sie zunehmend die Geschichte der Frauen in diesem Landstrich, allen voran von Abelke, die im 16. Jahrhundert als Hexe verbrannt wurde.

Die Autorin erzählt abwechselnd aus Brittas und Abelkes Perspektive und die zwei erzählten Zeiten entfalten immer mehr Parallelen. Inhaltlich ist die Entwicklung der Geschichte sehr überzeugend und leider auch sehr realistisch. Eine sehr deutliche Herausarbeitung der Tatsache, dass Frauen seit Beginn der frühen Neuzeit, teils wie selbstverständlich und teils bewusst, in existenzgefährdenden Situationen hineingetrieben werden. Es wird auch deutlich, dass trotz gewisser Errungenschaften, sich am grundsätzlichen Problem nicht viel geändert hat. Aus der Erzählung, wie auch aus dem sehr ausführlichen und sehr guten Nachwort, geht hervor, dass die Frauensolidarität historisch schon immer da gewesen ist, nur bewusst unterbunden worden bzw. durch Anpassungsverhalten und erst Recht in unseren individualistischen Zeiten wieder verloren gegangen ist. Sie ist jedoch wichtig, um an der grundsätzlichen Wahrnehmung und Stellung von Frauen - sowohl historisch betrachtet als auch für die Gegenwart - etwas verändern zu können.

Jarka Kubsova hat ein wichtiges Buch geschrieben mit einem sehr guten Ansatz. Lediglich die stilistische Umsetzung hat mich mit voranschreitendem Lesen nicht fesseln können. Sie schafft über detaillierte Beschreibungen einerseits eine sehr dichte und sensible Atmosphäre. Andererseits fehlte mir etwas die Abwechslung in der Schreibweise. Sehr angenehm finde ich, dass es kein militant-feministisches Buch geworden ist. Die genaue Beschreibung dessen, was war bzw. ist, reicht schon aus, um zu berühren und sich auch evtl. wiederzufinden. Sehr gute Idee, das Thema im Nachwort noch außerhalb der Erzählung zu erläutern. Insgesamt eine Leseempfehlung meinerseits.