Tolle Geschichte, mit Abzügen

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herrfabel Avatar

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Was "Marschlande" von Jarka Kubsova betrifft, bin ich sehr zwiegespalten. Denn einerseits hat mich die Geschichte rund um Abelke und ihren Hof sofort mitgerissen und durch dieses Buch getragen. Andererseits nervte mich Brittas Erzählstrang schon von Beginn an wahnsinnig. Diese Naivität, diese überraschenden, teils aus dem Hut gezauberten, Vorfälle und diese übertriebenen Emotionen... fand ich, ehrlich gesagt, sehr schlimm. Hätte ich Brittas Erlebnisse nicht teilweise nur überflogen, hätte es mir sicherlich auch die Freude an diesem Roman genommen. Ich habe zwar verstanden, dass Kubsova die damaligen Geschehnisse und Abelkes Erlebnisse von übler Nachrede, Vertrauen und Trennung und Co in die heutige Zeit überführen wollte, aber in dieser Form und mit Brittas Nachforschungen in Kombination mit diesen unglaubwürdigen Entwicklungen im Ort und mit ihrer Familie ergab es leider kein rundes Gesamtbild. Dennoch hat sie damit sehr gut gezeigt, welche Auswirkungen Neid, Gier und Missgunst haben können und konnten. Und wie schnell so ein Gerücht oder besser gesagt die Zuschreibung "Hexe" die Runde macht, nur weil sich jemand etwas nicht erklären kann oder wahr haben will und wie schnell so ein losgetretenes Feuer einen Menschen zu Fall bringt, insbesondere, wenn es sich dabei um eine Frau handelte, beweist Abelkes Erzählstrang mit einer ungeheuren Kraft. Übertragen in die Neuzeit wäre Mobbing wohl das passende Pendant dazu, zwar ohne Scheiterhaufen - ein Glück - dafür ähnlich schlimm.
Ob es nun sinnvoll ist, die Schlussszene bereits an den Anfang zu stellen und somit Abelkes Verurteilung vorwegzunehmen oder gerade dies neugierig macht, möchte ich an dieser Stelle nun nicht ausdiskutieren. Dieser Roman hat schon viel lesenswertes und lebt von den historischen Gegebenheiten mit denen sich Kubsova sehr intensiv auseinandersetzte. Ein bisschen mehr damals, ein bisschen weniger heute oder nur Abelkes Geschichte hätte mir voll und ganz ausgereicht und vielleicht wäre es dann mein Lieblingsbuch des Herbstes geworden, aber so habe ich's dann doch lieber weitergereicht.