Mit Tante Martha in den schottischen Highlands

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Gerade hat Karen die letzten Vorbereitungen getroffen, um mit ihrer Familie in den verdienten Urlaub nach Schottland aufzubrechen, da fällt ihr Tante Martha ein. Von Martha muss sie sich unbedingt noch verabschieden, ist sie doch die Erbtante. In deren Wohnung angelangt, traut Karen ihren Augen nicht. Tante Martha erwartet sie abfahrbereit im Schottenrock nebst Koffer und Schirm. Die Tante lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die Familie in den Urlaub begleiten wird. 

 

Die Thiemes, neben Karen gehören noch Ehemann Bernd und die Kinder Mark und Teresa dazu, sind davon wenig begeistert und können die Fahrt anfangs nicht recht genießen. Vor allem Karen grübelt, was alles auf sie zukommen wird. Als Tante Martha dann verlauten lässt, dass sie bereits in Schottland war und dort etwas zu erledigen hat, werden alle hellhörig. Eines ist der Familie schnell klar, mit  Martha werden sie noch manche Überraschung erleben. 

Entgegen der Vorstellung ihrer Verwandten ist die alte Dame ganz und gar nicht senil. Sie verfügt über ungeahnte Fähigkeiten. Nicht nur, dass sie Whisky trinkt, die englische Sprache beherrscht, sich auf den schottischen Straßen besser auskennt als der Familienvater  und einen Trucker unter den Tisch pokert. Sie mischt die gesamte Familie tüchtig auf. Sogar die Kids steckt Martha mit ihrem Elan an und sie berät Karen in Mode- und Ehefragen. Martha möchte so schnell wie möglich nach Schottland gelangen, an einen Ort namens Glan Manor. Dort angekommen, erwartet die Familie eine Überraschung, die deren Leben von Grund auf verändern wird.

 

Mit diesem Buch ist Ulrike Herwig ein humorvoller, unterhaltsamer Roman gelungen. Infolge des lockeren, flüssigen Schreibstils lässt sich das Buch angenehm und schnell lesen.

Die Autorin hat viel Mühe darauf verwendet, die Charaktere ihrer Protagonisten detailliert zu beschreiben. Dabei nimmt die Figur Marthas eine zentralen Platz ein. Tante Martha ist liebenswert, eigenwillig, manchmal etwas quengelig. Sie weiß, was sie will und bekommt es auch. 

Von allen Protagonisten ist mir eigentlich nur Tante Martha richtig sympathisch. Karen und Bernd werden so dargestellt, wie sie sind, kleinkariert und spießig. Bernd klammert sich an seinem Reiseführer fest und ist enttäuscht wie ein Kind, wenn die Realität anders aussieht. Karen träumt von ihrem viel jüngeren Kollegen.Theresa wird für ihre sechs Jahre viel zu kleinkindhaft dargestellt.

Die Autorin hat ein aktuelles Thema aufgegriffen, das Älterwerden. Am Beispiel Marthas und ihrer Angehörigen wird deutlich, wie die Gesellschaft auf alte Menschen reagiert. 

Die alte, kinderlose Dame hat das Engagement ihrer Familie nur einem Umstand zu verdanken, der Aussicht auf ihr Geld.

Das kommt in der Erzählung immer wieder deutlich zum Ausdruck. Ohne das Erbe der Großtante wäre der Traum vom eigenen Haus  ausgeträumt. Also nimmt man die Tante wohl oder übel mit in den Urlaub. Wie würde das wohl ohne das in Aussicht gestellte Erbe aussehen?

Die Figur der Martha verkörpert aber auch den unbändigen Willen, sich nicht den Unannehmlichkeiten des Alters zu beugen. 

Am Rande erfährt der Leser vieles zur Geschichte Schottlands und gewinnt Einblick in die rauhe, aber schöne Landschaft.

Das ansprechend gestaltete Cover vermittelt Lust auf Urlaub. Eine nette Idee bildet das beigefügte Lesezeichen in Form eines Kofferanhängers. Auch hier findet sich die Abbildung der witzigen Möwe mit den gelben Gummistiefeln in Kleinformat wieder.

Auch wenn einige Dialoge etwas flach geraten sind, garantiert das Buch unterhaltsame Lesestunden.