Ganz gut

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ben01 Avatar

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Anfang & Charaktere:
Bereits nach wenigen Seiten fühlt man sich wohl in der Geschichte. Stefanie Hasse schafft ein angenehmes Ambiente, in dem man sich fast augenblicklich zu Hause fühlt. Zum großen Teil ist dies dem sehr angenehmen Lesefluss geschuldet. Die Autorin versteht es, gute Szenen zu schreiben, ohne aber zu sehr in diesen „vereinfachten“ Jugendstil abzurutschen.
Soviel beim Anfang aber auch richtig gemacht wurde, er war lang. Knapp 100 Seiten wartet man vergeblich auf die Matching Night, die praktisch von der ersten Seite an angeteasert wird. Diese 100 Seiten sind nicht unbedingt langweilig, aber im Rückblick hatten sie einfach zu wenig Inhalt. Die Beziehungen zwischen der Protagonistin Cara und ihren Freunden und Bekannten wurden angeschnitten, gleichzeitig aber auch nicht wirklich tiefgründig erforscht. Das hat sich leider auch im Laufe des Buches nicht geändert.
Das trifft auch auf die Charaktere zu. Ich habe mir einige Tage Zeit gelassen, diese Rezension zu schreiben, weil ich nach dem Beenden von Matching Night nicht so richtig wusste, wie ich es bewerten soll. Aber diese Bedenkzeit hat mir nur allzu deutlich vor Augen geführt, dass dieses Buch durchweg an blassen, fast durchsichtigen Charakteren leidet. Obwohl jede Figur ihre (eine bestimmte und dabei leider auch einzige) Eigenart hat, sei es nun Mode oder Journalismus, hat sich keine Tiefe oder wirklicher Charakter gezeigt. Nach über 300 Seiten sind mir die Figuren immer noch absolut fremd. In diesem Fall hätte ich mir besonders von Cara viel mehr Gedanken gewünscht, die bestimmt hilfreich für ihre Charakterentwicklung gewesen wären. Dafür hätten die 100 Seiten am Anfang definitiv noch Kapazitäten gehabt. Stattdessen bekommt man als Leser lediglich die dürftigen Glückstagebuch-Erläuterungen darüber, wofür Cara in ihrem Leben gerade dankbar ist. Mich persönlich hat das weder die Figur besser verstehen lassen noch hatte es einen sonstigen Mehrwert, tatsächlich nervte es am Ende sogar. Und keineswegs konnten diese kleinen Sätze hie und da die ansonsten fast vollständig fehlenden Gefühlseindrücke und Gedankengänge kompensieren.

Romantik:
Auch hier – wer hätte es gedacht – störte mich in erster Linie wieder der fehlende Tiefgang. Die Charaktere verstanden sich gut oder fühlten sich zueinander hingezogen, und während des Lesens hatte ich damit auch noch keine Probleme. Aber im Nachhinein muss ich mir immer wieder die Frage stellen: „Warum eigentlich?“ Wenn ich Liebesgeschichten lese, dann brauche ich Kontext, Details, Hintergrundinformationen – einfach gesagt: Diese Menschen brauchen eine gemeinsame Geschichte, damit ich ihnen ihre Gefühle abnehme.
Vor allem in Bezug auf Taylor hätte die Autorin dabei sehr viel tiefer schürfen können, denn Cara kennt ihn zu dem Zeitpunkt, in dem das Buch einsetzt, bereits. Man hätte Rückblicke und Insider einbauen können, jedenfalls irgendetwas, was die Figuren verbindet – abgesehen von gemeinsamen Fernsehabenden und gelegentlichen Ausflügen ins Café. Aber es gab während des gesamten Buchs wirklich nicht ein Gespräch zwischen den beiden, welches in irgendeiner Weise tiefer gegangen wäre, und damit wirkt ihre gesamte Beziehung im Rückblick erzwungen und konstruiert.
Auch bezüglich Josh hätte mehr Tiefgang definitiv nicht geschadet, andererseits habe ich bei Cara und Josh zumindest eine gewisse Chemie erkennen können. Trotzdem kamen meines Erachtens auch hier viel zu schnell Gefühle ins Spiel.
Zusätzlich – und dabei war mir wirklich unwohl – werden Charaktere im Laufe der Geschichte durch ihre Studentenverbindungen praktisch in Beziehungen gedrängt: Nicht nur müssen sie über einen kürzeren Zeitraum hinweg vorspielen, ein Paar zu sein, was für Personen mit tatsächlichen Beziehungen einfach nur bescheuert ist. Zusätzlich gab auch einige Stellen, die mich danach noch wirklich schlucken ließen: Paare, die sich als „echtes Paar“ herausstellen, bekommen besondere „Freischeine“; Paare werden gemeinsam eingesperrt usw. Das grenzte zum Teil wirklich schon an Nötigung. Während mir das Buch also an einigen Stellen viel zu „brav“ war, war es mir in diesem Aspekt entschieden zu krass.

Ende:
Das Ende hat mich wiederum mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurückgelassen: Einerseits war mir klar, auf was es hinauslaufen und wer am Ende „der Böse“ sein würde. Alle Bruchstücke, die man im Laufe des Buches erfährt, fügen sich am Ende wirklich perfekt ineinander – an manchen Stellen auch durchaus unerwartet. Gleichzeitig hatte ich bei der tatsächlichen Auflösung aber keinen wirklichen Moment der Erleuchtung, weil sie einfach keine großen Überraschungen bereithielt.

Fazit:
100 bis 200 Seiten mehr hätten diesem Buch nicht geschadet, um die Charaktere weiter auszubauen. Das hätte Matching Night nicht nur zu einem soliden, guten Buch, sondern zu einem echt genialen Buch verholfen. So jedoch ging alles entweder zu schnell oder Seiten um Seiten wurden (gerade zu Anfang) für komplett Irrelevantes verschenkt.
Nichtsdestotrotz konnte mich dieses Buch ohne Frage unterhalten. Es hat Spaß gemacht (insbesondere nach dem ersten Drittel) und war damit ein schnelles Lesevergnügen für Zwischendurch.
Alles in allem war im Bezug auf die Charakterentwicklung und Dramatik noch viel Luft nach oben, welche die Autorin hoffentlich in Band 2 noch nutzen wird.
Aus diesem Grund gibt es von mir 3,5 / 5 Sterne.