Ein stimmiger Roman, vom Anfang bis zum Ende

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Er ist ausgeblieben. Der Enkelsohn, der Erbe, der Raìs. Der, auf den alle gewartet hatten. Der, der den traditionellen Thunfischfang auf der Insel anführen muss. Stattdessen: Ein Mädchen. Nora. Doch kann ein Mädchen die Aufgaben eines Raìs übernehmen?

Aus Mangel an einer Alternative und weil der Raìs immer aus der selben Familie stammen muss, wird entschieden, ja. Und so wächst Nora in einer Welt auf, in der Traditionen, Regeln, Rituale, Aberglaube, aber gleichzeitig auch die Beziehung zur Natur und zum Meer ihr Leben bestimmen.

Es ist ein Leben, dass sie an die Insel bindet. Als Raìs ist sie eine Art Oberhaupt, trifft Entscheidungen und trägt Verantwortung. Ihr Schicksal ist in vielerlei Hinsicht fremdbestimmt. Außerdem muss sie sich behaupten, muss ihrer Rolle gerecht werden, muss all die Männer, die an ihr gezweifelt hatten, eines Besseren belehren. Germana Fabianos Protagonistin ist eine faszinierende Figur, weil sie sich zwischen Stärke, Anderssein, Einsamkeit und Sehnsüchten bewegt, weil sie nicht in grellen Tönen gezeichnet ist und trotzdem hervorsticht.

Und dann ist da noch die andere Protagonistin, nämlich die Insel, auf der die Geschichte spielt, Katria. Irgendwo bei Sizilien. Es ist ein Ort, an dem noch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Traditionen und Zusammenhalt das Leben aller prägen. Doch Veränderungen lassen nicht lange auf sich warten. Tourismus, Überfischung, Globalisierung und die ersten Flüchtlingsboote sind Anzeichen dafür, dass nichts so bleiben wird, wie es war.

"Mattanza" ist ein von Anfang bis zum Ende stimmiger Roman. Und das sowohl in inhaltlicher als auch in stilistischer und ganz besonders in sprachlicher Hinsicht. Germana Fabiano schafft etwas, was nicht vielen Autor*innen gelingt: Alles harmoniert miteinander, jedes Wort ist an seinem Platz, nichts ist zu viel, nichts zu wenig. Für mich ist dieser Roman eine wahre Entdeckung.

Last but not least: Eine grandiose Übersetzung von Barbara Neeb und Katharina Schmidt!