Eine junge Frau und das Meer

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Mattanza ist ein Wort, das ich vor der Lektüre dieses Buchs nicht kannte. Mattanza meint den traditionellen Fang von Thunfisch vor der Küste Siziliens und auf genau diese Tradition baut Germana Fabiano die Geschichte, die sie in diesem Buch erzählt auf.

Auf der kleinen Insel Katria läuft das Leben auch im Jahr 1960 noch nach den alten Regeln. Der Thunfischfang bestimmt die kleine Gemeinde, seit Jahrhunderten ist der "Rais", der Anführer der Fischer, ein Mann aus einer bestimten Familie. 1960 wartet die ganze Gemeinde auf die Niederkunft der Tochter des Rais, endlich soll der langerhoffte Erbe geboren werden. Aber es wird wieder eine Tochter geboren.
Pragmatisch wird beschlossen, dass die kleine Nora die Nachfolge ihres Großvater antreten soll. Nirgends steht geschrieben, dass der Rais ein Mann sein muß, er muß nur aus dieser bestimmten Familie stammen.

Also wird Nora bei ihrem Großvater aufwachsen und von Anfang an das Handwerk des Rais erlernen. Im Laufe der Jahre wird Nora eine gute Rais und übernimmt diese Funktion nachdem der Großvater einen Schlaganfall erleidet.

Zunächst läuft der Thunfischfang gut, aber nach einigen Jahren sind die Fangquoten so gering, dass sich der Aufwand nicht mehr lohnt, Schuld daran ist der industrielle Fischfang, der das Mittelmeer langsam aber sicher leerfegt.

Dafür kommen dann andere Lebewesen auf der Insel an: Bootsflüchtlinge, die endgültig das Leben der Insel auf den Kopf stellen

Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, es macht auf elementare Probleme der heutigen Zeit aufmerksam, die Überfischung der Meere und die Flüchtlinge, die vor Krieg und Gewalt in Europa Schutz suchen.
Am Anfang lernt man eine Gemeinde kennen, die noch voll in den Traditionen verankert ist, in der jeder seinen Platz hat und wo sich jeder auf den Anderen verlassen kann.
Die Darstellung des Fischfangs mag recht brutal erscheinen, aber er ist doch im Einklang mit der Natur und nimmt nur das, was das Meer bereit ist zu geben.

Insgesamt ist es ein Buch, das sich wirklich lohnt zu lesen.
Erwähnen sollte man auch die Übersetzerinnen Barbara Neeb und Katharina Schmidt, die das Buch in ein schönes, angenehm zu esendes Deutsch gebracht haben.
Das einzige, was ich mir gewünscht hätte, ist ein Glosar, in dem einige italienische Begriffe erklärt worden wären