Kleines Buch mit Sogwirkung

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Manchmal sind es die Bücher, die wenige Worte verwenden, die soviel mehr erzählen als die, die jedes noch so kleine Szene aufbauschen und ausschmücken. Mattanza ist so ein Buch. Auf etwa 180 Seiten wird von über 50 Jahren erzählt. Und dabei passt jedes Wort: Das Meer ist genauso lebendig wie die Bewohner der kleinen Insel Katria, am westlichen Zipfel von Sizilien gelegen. Die Menschen sind dort vom Fischfang abhängig, besonders aber von der Jagd auf den Thunfisch, der Tonnara. Anführer ist der Raís. Er stammt immer aus der gleichen Familie, doch in ihr bleibt der Nachwuchs aus. Schließlich kommt er doch noch, aber nicht in der gewünschten Form: statt eines Jungen wird ein Mädchen geboren, Eleonora. Kurz entschlossen ernannt der Raís sie zu seiner Nachfolgerin, denn es ist nur die Rede davon, dass der Raís aus seiner Familie stammen muss, nicht jedoch, dass er ein Mann sein muss.
Nora wächst heran und muss sich in der Männerwelt behaupten. Doch es kommen noch ganz andere Probleme auf sie zu: die Tonnari fischen noch nach einer jahrhundertealten Tradition. Durch Überfischung und neue Fangflotten kommen plötzlich fast keine Thunfische mehr bei ihnen an. Doch diese stellen die Lebensgrundlage für sie da. Stattdessen fischen sie nun etwas anderes aus dem Meer, Flüchtlinge aus Afrika, manche von ihnen bereits tot.
Mattanza hat mich von der ersten Seite an begeistert, vor allem auch stilistisch. Die Geschichte wird sehr ruhig erzählt, man lernt nach und nach die Dorfbewohner kennen. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Anekdoten die der Auflockerung dienen: die unerwartete Heimkehr lange verschollener Inselbewohner, mal mehr, mal weniger zur Freude der anderen; ein absurd alter Fischer; eine Adelsfamilie mit exzentrischen Gewohnheiten. Hier stimmt einfach alles und ich wünsche mir sehr viele Leser*innen für diese Geschichte.