Mattanza - Eine Welt verändert sich

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Der Roman beschreibt die Entwicklung der Mattanza, der Thunfischjagd, während ca. 50 Jahren, von 1960 bis 2012 auf der fiktiven Insel Katria bei Sizilien, anhand der spannenden Lebensgeschichte einer Frau, Eleonore, des letzten Rais. Dabei geht es im Verlauf des Romans nicht mehr nur um die Tonnara, die von jahrhundertealten Ritualen geprägt ist, sondern um mehr – nämlich um eine totale Veränderung des Lebens auf dieser Insel.

Katria lebt vom Thunfischfang. Einmal im Jahr geht der Zug der Thunfische an der Insel vorbei und die großen Fische werden von den Fischern in unterirdischen Netzsystemen gefangen, nach traditionellen Ritualen geschlachtet und schließlich in Konservenfabriken auf der Insel verarbeitet. Bezahlt werden sie vom Besitzer der Fabrik, der Familie Filangeri, die zwar eine feudale Villa auf der Insel besitzt aber woanders wohnt. Vom Thunfisch leben alle Menschen auf dieser Insel, in der restlichen Jahreszeit gibt es auch noch etwas Tourismus.

Der Einstieg erzeugt beim Leser sofort Interesse und Spannung. Eine Katastrophe ist geschehen. Die letzte Möglichkeit eines Nachfolgers für den Rais - den Anführer der Tonnatori – ist verpasst. Seine einzige Tochter hat wieder ein Mädchen geboren, Eleonora Greco, später Nora genannt. Es steht geschrieben, dass der nächste Rais vom Blut der Lombardo sein muss, andernfalls wird es Unglück und Katastrophen für die Insel bringen. Der Rais entscheidet, dass Eleonora seine Nachfolgerin wird, denn nirgends steht, dass es kein Mädchen sein darf, so fordert er die Tochter auf: Bring sie zu mir, sobald das Mädchen keine Mutter mehr braucht.

Schon im ersten Kapitel lernt der Leser viele Inselbewohner kennen, die ihn über die lange Zeit begleiten werden. Auch ihre Dialoge lassen vor uns die Welt der Insel lebendig werden, zeigen uns die Gemeinschaft und den Zusammenhalt der Menschen auf der Insel.

In elf Kapiteln, bezeichnet durch Jahreszahlen, erlebt der Leser die Ereignisse und Entwicklungen auf Katria, begegnet den Menschen dort und erfährt von ihren Schicksalen. Wir erleben mit, wie Nora, vom alten Rais gut vorbereitet in ihre Aufgabe hineinwächst und sich durch ihre Souveränität bei der Erfüllung des schweren Erbes die Anerkennung der Tonnatori erwirbt. Nicht an ihr liegt es also, dass die Thunfischjagd immer mehr an Bedeutung für die Inselbewohner verliert.

Von den ersten Befürchtungen, als man erfährt, dass die Filangeri die Anlagen verkaufen wollen, bis zu dem Stand der Dinge im Jahr 2012 passiert sehr viel in dem Roman, von dem ich nichts vorweg nehmen möchte. Mit allen - und nicht immer zulässigen - Mitteln kämpfen die Inselbewohner um ihre Existenz. Doch im Mittelmeer geschehen Veränderungen, die von ihnen - und auch den Filangeris - nicht beeinflusst werden können. Große Fangschiffe nehmen den größten Teil der Fischschwärme auf, bevor sie die gewohnten Wege ziehen, andere Probleme, die nicht in ihrem Vorstellungsbereich möglich waren, verändern das Leben auf der Insel total.

Die Welt der Inselbewohner, über jahrhundertealte Traditionen geprägt, existiert am Ende des Romans so nicht mehr. Der Leser ist gefangen von dieser Erzählung von der ersten bis zur letzten Seite und kann es am Ende kaum glauben, dass soviel in nur 183 Seiten erzählt werden kann. Eine spannende Geschichte, viele Informationen über den Thunfischfang und das Leben auf einer südlichen Mittelmeerinsel, menschliche Beziehungen und vieles mehr. Das alles in einer bildhaften Sprache, die viele Stilmittel einsetzt und das Lesen zu einem Erlebnis macht. Sehr lesenswert!