Untergang der Traditionen

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Schon immer lebte man auf Katria, einer kleinen sizilianischen Insel im Meer, vom Thunfischfischfang, Mattanza genannt. Diese traditionelle Art des Fischfangs wird angeführt vom Raìs, der zum ersten Mal in der Geschichte weiblich ist. Nora gibt ihr Bestes, um als Anführerin zu bestehen und erfüllt nach langer Skepsis die Ansprüche der Fischer. Doch die Welt auf Katria verändert sich: ungeliebte Touristen reisen im Sommer an, die Thunfischschwärme bleiben aus und die Flüchtlingskrise schwemmt Tote und Überlebende an Land der kleinen Insel.
Germana Fabiano ist es gelungen, auf nur 185 Seiten eine Geschichte von untergehenden Traditionen, einem vorgezeichneten Leben als Anführer, der Vernichtung von Existenzen durch industriellem Fischfang und der traurigen Invasion von Geflüchteten zu erzählen. Dies gelingt ihr mit Hilfe eines sehr nüchternen Schreibstils, der jedoch extrem ausdrucksstark ist. Als Leser*in durchlebt man intensiv die verschiedenen Gefühlswelten: das brutale Abschlachten der Thunfische; Noras Angst davor, Fehler zu begehen und das ganze Dorf zu enttäuschen; die Fassungslosigkeit der Fischer beim Ausbleiben der Fischschwärme und das Grauen derer, die die Toten und die Überlebenden aus dem Meer fischen.
Es ist eine sehr italienische Geschichte, häufig durchsetzt mit italienischen Begriffen und solchen aus der Fischerei ( zum Beispiel: Mattanza, Tonnara, Tonnaroti ). Und obwohl mir vieles davon sehr fremd war bin ich überrascht, wie emotional man Nora von ihrer Geburt 1960 bis zum Jahr 2012 begleitet und mit ihr die Höhen und Tiefen ihrer Heimatinsel und deren Bewohner.
Ein ungewöhnliches Buch, interessant und intensiv, über Traditionen und die Veränderungen auf der Welt.