Filmreifer Coup im Herrenhaus

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bücherfreund99 Avatar

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Beim Schreiben eines Romans kommt Freude auf – Davon gehe ich in den meisten Fällen aus. Freude dürfte im vorliegenden Fall bereits mit der Auswahl des Schauplatzes entstanden sein. Alex Hays Roman spielt im edwardianischen Zeitalter etwa ein Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg. Wer etwas auf sich hält, wohnt in einem vornehmen Stadtteil wie Mayfair. In der Park Lane besitzt die Familie de Vries ein Herrenhaus mit zahlreichen Bediensteten. Nach dem Tod des Patriarchen übernimmt dessen Tochter das Regiment. Sie möchte hoch hinaus, unter Blaublütlern und in der Upper Class verkehren („Es wurde höchste Zeit, dass die Welt sie bemerkte“).
Im Herrenhaus möchte sie im ererbten ‚Totholz‘ gehörig aufräumen und entlässt als Erste Mrs. King, die Wirtschafterin. Spätestens an dieser Stelle merkt der Leser, dass der Autor Freude an der Auseinandersetzung zwischen ‚Oben‘ und ‚Unten‘ hat, zwischen den Reichen und Neureichen in der Beletage und dem Gesinde im Souterrain. Die Freude entsteht bei dem filmaffinen Leser nicht zuletzt dadurch, dass er jetzt Vergleiche mit bekannten Bildern generiert wie mit denen der Serie ‚Downton Abbey‘.
Die Schreibfreude entwickelt Hay weiter und lässt die Leser daran teilhaben, indem er die geschasste Wirtschafterin einen teuflischen Plan entwickeln lässt: Sie will sich an ihrer Herrin rächen und sich das zurückholen, was nach ihrer Ansicht ihr zusteht. Anflüge von Klassenkampf in seiner unterhaltsamsten Form! Mrs. King möchte während eines Maskenballes das ganze Haus ausrauben, vom kleinen Schmuckteil bis zum wertvollen Möbelstück.
Dazu benötigt sie Komplizinnen und zahlreiche Helfer mit speziellen Talenten. Deren Rekrutierung erinnert an die der ‚Gentlemen-Posträuber“ und der Leser ist gespannt auf den Coup, der bald bevorsteht. Planung und Durchführung wecken wiederum Erinnerungen an ‚Ocean’s 8‘, jenen Film, in dem ein grandioser Diebstahl ausschließlich von Frauen geplant und durchgeführt wird. Mrs. King als das Pendant zu Debbie Ocean!
De Handlung nimmt weiter Fahrt auf und Hay erzeugt Spannung, indem er relativ kurze Kapitel in der Form eines Countdowns aneinanderreiht. Im Laufe des Romans werden schließlich alle Beweggründe für den Raub offengelegt. Jede Figur hat ihr Päckchen zu tragen und alles mündet in dem hollywoodreifen Coup, in dem Miss de Vries um ihren Besitz gebracht wird.
Der Roman ‚Mayfair House‘ hält Freude und Spannung bis zum Schluss aufrecht und wenn der Ausdruck ‚Pageturner‘ seine Berechtigung hat, dann bei diesem Buch von Alex Hay. Das leuchtend rote Cover mit der goldfarbenen Teetasse und dem stilisierten Dienstmädchen darüber macht Alex Hays Buch zudem zu einem keinen Schmuckstück im Bücherregal.