Ein neuer Blickwinkel auf eine tragische Heldin

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firecanyon Avatar

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Rosie Hewlett gelingt es in „Medea – Die Hexe von Kolchis“, einer der umstrittensten Frauenfiguren der griechischen Mythologie endlich eine eigene Stimme zu geben. Statt der später gefürchteten Zauberin zeigt sie zunächst ein einsames, verletzliches Mädchen, das in den harten Strukturen Kolchis’ aufwächst und von seinem Vater für seine magischen Fähigkeiten verachtet und geschlagen wird. Medea sehnt sich nach Nähe und Anerkennung – ein Bedürfnis, das von der zauberhaften Tante Circe erstmals gesehen wird, bevor auch diese Beziehung auf Druck der Eltern abrupt endet.
Als Jason auf Kolchis erscheint, sieht Medea in ihm die erste Chance auf Freiheit. Hewlett zeigt eindringlich, wie Medea sich an ihn klammert, obwohl er ihr nicht guttut. Aus Liebe und Hoffnung verrät sie ihre Familie und trifft Entscheidungen, die ihr Leben für immer bestimmen. Jason wird zunehmend als manipulativer Held sichtbar, der Medeas Hingabe ausnutzt und sie in eine Spirale aus Abhängigkeit und Schuld zieht.
Der Roman beginnt stark, mit intensiven Einblicken in Medeas Kindheit und den frühen Kampf mit ihren Kräften. In der Mitte verlangsamt sich die Handlung etwas, doch zum Ende hin entwickelt die Geschichte wieder eine große emotionale Wucht. Ich schwankte ständig zwischen Mitgefühl und Frustration, ein Zeichen dafür, wie überzeugend Hewlett Medeas innere Zerrissenheit darstellt.
Fazit:
Eine atmosphärische, kraftvolle Neuerzählung des Mythos, die den Blick weg von den strahlenden Helden und hin zu den oft übersehenen Frauenschicksalen lenkt. Ein berührendes Porträt einer jungen Frau, die nach Zugehörigkeit sucht und dabei immer wieder an die falschen Menschen gerät. Intensiv, düster und lange nachhallend.