Eindringliches Retelling griechischer Mythologie
»Einer Frau wie ihr war ich noch nie begegnet.«
Rosie Hewletts »Medea« ist ein eindringliches Retelling griechischer Mythologie, das die gleichnamige Figur aus ihrem Schatten hervorholt, um ihr eine kraftvolle, nuancierte und eigene Stimme zu verleihen. Die Autorin bricht mit der einseitigen Darstellung der Medea als kaltblütige Kindsmörderin und zeigt stattdessen eine vielschichtige Frau, deren Leben von Machtspielen, Verrat und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist. Hewlett gelingt es, die bekannten Elemente der Argonautensage und Medeas Beziehung zu Jason einzubetten, ohne dabei in klassischer Stofftreue stecken zu bleiben; vielmehr legt sie psychologische Motive frei, die sich in den ursprünglichen Mythen nur erahnen lassen.
Als moderne Neuerzählung überzeugt der Roman besonders durch seine feministische Perspektive. Während viele ursprüngliche Quellen Frauen stets auf Rollen der Verführung, des Verrats oder der Magie reduzieren, zeichnet Hewlett ihre Protagonistin als denkende, fühlende und handelnde Person, die ihr Schicksal nicht widerstandslos hinnimmt. Diese Neuinterpretation zeigt, wie produktiv der Trend des mythologischen Retellings sein kann: Bekannte Figuren erhalten neue Dimensionen, die Lücken der überlieferten Geschichten werden durch psychologisch nachvollziehbare, literarisch überzeugende Gestaltung gefüllt, und der mythologische Stoff gewinnt so überraschende Aktualität.
Der Roman liest sich atmosphärisch dicht, sprachlich modern, aber mit einem Hauch archaischer Schwere, die der antiken Vorlage gerecht wird. Besonders beeindruckend ist die Art, wie Hewlett Gewalt, Leidenschaft und Magie beschreibt, ohne die Geschichte zu romantisieren. Stattdessen entsteht ein Bild von Medea, das ihre Tragik ernst nimmt und gleichzeitig ihre Stärke hervorhebt. Insgesamt ist »Medea« ein empfehlenswertes Buch für alle, die moderne Neuinterpretationen klassischer Mythen schätzen und bereit sind, sich auf eine ungewohnt intime Sicht einer bisher verurteilten Figur einzulassen. Für mich ein Highlight – große Leseempfehlung!
Lebendig übersetzt von Simone Jakob.
Rosie Hewletts »Medea« ist ein eindringliches Retelling griechischer Mythologie, das die gleichnamige Figur aus ihrem Schatten hervorholt, um ihr eine kraftvolle, nuancierte und eigene Stimme zu verleihen. Die Autorin bricht mit der einseitigen Darstellung der Medea als kaltblütige Kindsmörderin und zeigt stattdessen eine vielschichtige Frau, deren Leben von Machtspielen, Verrat und gesellschaftlichen Zwängen geprägt ist. Hewlett gelingt es, die bekannten Elemente der Argonautensage und Medeas Beziehung zu Jason einzubetten, ohne dabei in klassischer Stofftreue stecken zu bleiben; vielmehr legt sie psychologische Motive frei, die sich in den ursprünglichen Mythen nur erahnen lassen.
Als moderne Neuerzählung überzeugt der Roman besonders durch seine feministische Perspektive. Während viele ursprüngliche Quellen Frauen stets auf Rollen der Verführung, des Verrats oder der Magie reduzieren, zeichnet Hewlett ihre Protagonistin als denkende, fühlende und handelnde Person, die ihr Schicksal nicht widerstandslos hinnimmt. Diese Neuinterpretation zeigt, wie produktiv der Trend des mythologischen Retellings sein kann: Bekannte Figuren erhalten neue Dimensionen, die Lücken der überlieferten Geschichten werden durch psychologisch nachvollziehbare, literarisch überzeugende Gestaltung gefüllt, und der mythologische Stoff gewinnt so überraschende Aktualität.
Der Roman liest sich atmosphärisch dicht, sprachlich modern, aber mit einem Hauch archaischer Schwere, die der antiken Vorlage gerecht wird. Besonders beeindruckend ist die Art, wie Hewlett Gewalt, Leidenschaft und Magie beschreibt, ohne die Geschichte zu romantisieren. Stattdessen entsteht ein Bild von Medea, das ihre Tragik ernst nimmt und gleichzeitig ihre Stärke hervorhebt. Insgesamt ist »Medea« ein empfehlenswertes Buch für alle, die moderne Neuinterpretationen klassischer Mythen schätzen und bereit sind, sich auf eine ungewohnt intime Sicht einer bisher verurteilten Figur einzulassen. Für mich ein Highlight – große Leseempfehlung!
Lebendig übersetzt von Simone Jakob.