Gewalt bringt Gewalt hervor
„Medea“, eine neue Antikenüberschreibung aus den Händen von Rosie Hewlett, 2025 erschienen bei HarperCollins, packt von der ersten Sekunde an und zeigt die gnadenlose Männerwelt, der Medea von klein auf ausgesetzt ist, schonungslos.
Zunächst ein lautes Shoutout an das Coverdesign von Ariane Busch und Irene Martinez Costa, das stilvoll und wunderschön mit Goldelementen versehen, direkt den richtigen Vibe für eine griechische Tragödie setzt.
Die vorangestellte Widmung, „Für all die Frauen, denen man je vorgeworfen hat, zu viel oder nicht genug zu sein“, fasst das Thema des Buches eigentlich hervorragend zusammen. Die Geschichte von Medea ist weidlich bekannt, doch meist wird sie als kalte Rächerin dargestellt und die Gründe für ihr Handeln werden wenig sichtbar. Ganz anders bei Hewlett, die das Innenleben von Medea von Anfang an ins Zentrum ihres Interesses stellt.
Medea wird mit einer besonderen Gabe geboren, der Magie, doch in ihrer Familie stößt sie damit zunächst auf wenig Verständnis. Das Patriarchat stöhnt aus allen Ecken und eine Frau, die nicht nur willfährig ist, findet keinen Platz. Medea soll ein artiges Mädchen sein. Bis ihre Familie entdeckt, dass Medeas Fähigkeiten ihr zur Macht verhelfen können. Ab diesem Zeitpunkt wird auch ihre Magie für sie interessant. Dennoch ist das keine Befreiung für Medea, die weiter nur Aufträge befolgen, anstatt frei entscheiden darf. Und auch der kurze Kontakt zu Circe, die sie in der Zauberei unterweist, wird schnell wieder unterbunden, als diese verbannt wird, ein Schicksal, dass auch Medea später in ihrem Leben blühen wird.
Als Jason auftaucht, um Medeas Vater das berühmte Goldene Vlies abzutrotzen, ist Medea, vom Leben immer ferngehalten, schockverliebt – nur weil dieser ihr das Gefühl gibt, sie zu sehen und ihre Fähigkeiten zu feiern, statt sie „Hexe“ zu nennen. Jason erscheint Medea als Ticket in ein selbstbestimmtes Leben – doch wie es der Mythos schon vorgibt, ist das ein schwerer Irrtum.
Hewlett schreibt in dichten starken Bildern, hervorragend arbeitet sie heraus, wie Männer sich der Frauen durchweg bedienen, wie sie ihre Intelligenz nie anerkennen, wie Freiheit und Selbstbestimmung ein Traum bleiben, selbst wenn frau die einzige Kriegerin im Kreise der Argonauten ist. Es ist bitter, Medea dabei zuzusehen, wie ihre Träume immer mehr bröckeln und sie sich verletzt immer mehr der schwarzen Magie zuwendet – für die sie große Beachtung erfährt, aber dennoch statt Achtung: Verachtung. Nachdem sie erreicht hat, was Jason sich wünschte, ist sie auch für ihn nur noch totes Material. Der immer wiederkehrende Verrat, der Medea begegnet, wird von Hewlett deutlich gezeichnet, der feste Kerker eines Männersystems, der Frauen keine Luft lässt, immer wieder auch buchstäblich, ist omnipräsent. Medea erscheint hier als eine Frau, die ihre Kinder letztlich davor schützt: Männer zu werden. In aller Konsequenz.
Eine beeindruckende Neuschilderung eines uralten Mythos, die Medea endlich zu ihrem Recht verhilft. Und auch eine Geschichte über Verrat und die Abgründe einer Familie, über systemische Ungerechtigkeit und immer wieder: Gewalt, die neue Gewalt hervorruft. Und so ist es nur konsequent, dass Medea diesen Knoten, mit allem, was das heißt, zerschlägt. Ein starker, bewegender Roman, der den Spannungsbogen durchweg am Anschlag hält. Absolute Leseempfehlung.
Ein großes Dankeschön an vorablesen.de und HarperCollins für das Rezensionsexemplar!
Zunächst ein lautes Shoutout an das Coverdesign von Ariane Busch und Irene Martinez Costa, das stilvoll und wunderschön mit Goldelementen versehen, direkt den richtigen Vibe für eine griechische Tragödie setzt.
Die vorangestellte Widmung, „Für all die Frauen, denen man je vorgeworfen hat, zu viel oder nicht genug zu sein“, fasst das Thema des Buches eigentlich hervorragend zusammen. Die Geschichte von Medea ist weidlich bekannt, doch meist wird sie als kalte Rächerin dargestellt und die Gründe für ihr Handeln werden wenig sichtbar. Ganz anders bei Hewlett, die das Innenleben von Medea von Anfang an ins Zentrum ihres Interesses stellt.
Medea wird mit einer besonderen Gabe geboren, der Magie, doch in ihrer Familie stößt sie damit zunächst auf wenig Verständnis. Das Patriarchat stöhnt aus allen Ecken und eine Frau, die nicht nur willfährig ist, findet keinen Platz. Medea soll ein artiges Mädchen sein. Bis ihre Familie entdeckt, dass Medeas Fähigkeiten ihr zur Macht verhelfen können. Ab diesem Zeitpunkt wird auch ihre Magie für sie interessant. Dennoch ist das keine Befreiung für Medea, die weiter nur Aufträge befolgen, anstatt frei entscheiden darf. Und auch der kurze Kontakt zu Circe, die sie in der Zauberei unterweist, wird schnell wieder unterbunden, als diese verbannt wird, ein Schicksal, dass auch Medea später in ihrem Leben blühen wird.
Als Jason auftaucht, um Medeas Vater das berühmte Goldene Vlies abzutrotzen, ist Medea, vom Leben immer ferngehalten, schockverliebt – nur weil dieser ihr das Gefühl gibt, sie zu sehen und ihre Fähigkeiten zu feiern, statt sie „Hexe“ zu nennen. Jason erscheint Medea als Ticket in ein selbstbestimmtes Leben – doch wie es der Mythos schon vorgibt, ist das ein schwerer Irrtum.
Hewlett schreibt in dichten starken Bildern, hervorragend arbeitet sie heraus, wie Männer sich der Frauen durchweg bedienen, wie sie ihre Intelligenz nie anerkennen, wie Freiheit und Selbstbestimmung ein Traum bleiben, selbst wenn frau die einzige Kriegerin im Kreise der Argonauten ist. Es ist bitter, Medea dabei zuzusehen, wie ihre Träume immer mehr bröckeln und sie sich verletzt immer mehr der schwarzen Magie zuwendet – für die sie große Beachtung erfährt, aber dennoch statt Achtung: Verachtung. Nachdem sie erreicht hat, was Jason sich wünschte, ist sie auch für ihn nur noch totes Material. Der immer wiederkehrende Verrat, der Medea begegnet, wird von Hewlett deutlich gezeichnet, der feste Kerker eines Männersystems, der Frauen keine Luft lässt, immer wieder auch buchstäblich, ist omnipräsent. Medea erscheint hier als eine Frau, die ihre Kinder letztlich davor schützt: Männer zu werden. In aller Konsequenz.
Eine beeindruckende Neuschilderung eines uralten Mythos, die Medea endlich zu ihrem Recht verhilft. Und auch eine Geschichte über Verrat und die Abgründe einer Familie, über systemische Ungerechtigkeit und immer wieder: Gewalt, die neue Gewalt hervorruft. Und so ist es nur konsequent, dass Medea diesen Knoten, mit allem, was das heißt, zerschlägt. Ein starker, bewegender Roman, der den Spannungsbogen durchweg am Anschlag hält. Absolute Leseempfehlung.
Ein großes Dankeschön an vorablesen.de und HarperCollins für das Rezensionsexemplar!