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wika-chan Avatar

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Rosie Hewletts Roman bietet eine faszinierende, düstere und zugleich zutiefst menschliche Neuerzählung des berühmten Medea-Mythos. Statt Medea als kalkulierende Zauberin oder gar als monströse Figur darzustellen, rückt Hewlett ihre Protagonistin ins Zentrum als verletzte, gequälte, aber unbeugsame junge Frau, die einen lebenslangen Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung führt.

Der Roman überzeugt besonders durch seine atmosphärische Dichte: Die Welt von Kolchis ist sowohl magisch als auch bedrohlich, geprägt von Machtspielen, Brutalität und uralten Kräften. Hewlett gelingt es, die übernatürlichen Elemente – Medeas Hexerei, die Prüfungen Jasons, die Monster und die Götter – organisch in die Handlung einzubetten, ohne dass die Magie jemals wie ein reiner Effekt wirkt. Alles entspringt Medeas innerer Entwicklung.

Die Beziehung zwischen Medea und Jason ist ein zentrales Element des Romans und wird glaubwürdig und nuanciert erzählt: nicht als klassische romantische Heldenliebe, sondern als komplexes Geflecht aus Bewunderung, Abhängigkeit, Loyalität und schmerzhaften Täuschungen. Besonders beeindruckend ist, wie Hewlett Medeas Wandel darstellt – von der verängstigten, misshandelten jungen Frau zur mächtigen, aber zutiefst verletzten Hexe, die letztlich zu einer verzweifelten, tragischen Entscheidung getrieben wird.

Der Schreibstil ist bildhaft, emotional und modern, ohne den mythischen Charakter der Geschichte zu verlieren. Auch Leser*innen, die den Medea-Stoff kennen, werden hier neue Facetten entdecken, da Hewlett den bekannten Mythos aus einer feministischen Perspektive neu interpretiert und Medea ihre Stimme zurückgibt.