Medeas Flammen – ein Aufglühen, das zu schnell verglimmt

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miss_jenny Avatar

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Rosie Hewletts Medea verspricht eine moderne, feministisch eingefärbte Neuerzählung einer der umstrittensten Frauenfiguren der griechischen Mythologie. Der Klappentext zeichnet ein Bild von einer jungen Frau, die wegen ihrer magischen Fähigkeiten gefürchtet, verfolgt und gequält wird und die sich mit dem Erscheinen Jasons eine Möglichkeit zur Flucht und Selbstbestimmung erhofft.
Die ersten Seiten erfüllen dieses Versprechen auf eindrucksvolle Weise: Hewlett schildert Medeas vorsichtig tastende Magie, ihre angespannte familiäre Umgebung und die latent lauernde Gefahr so lebendig, dass man sofort in ihre Welt hineingezogen wird. Gerade die Szene, in der Medea spielerisch ihren kleinen Bruder neckt und gleichzeitig unter wachsamem Blick ihre Kräfte erprobt, war für mich einer der stärksten Einstiege, die ein Fantasy-Roman seit Langem geliefert hat.
Doch je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker verschiebt sich der Ton. Die Geschichte nimmt einen zunehmend düsteren, teils drastisch blutigen Verlauf, der mich persönlich mehr irritiert als gefesselt hat. Ohne Vorkenntnisse in der griechischen Mythologie, und ohne besonderes Interesse an ihr, fühlte ich mich oft, als stünde ich außerhalb einer Erzählwelt, die für eine andere Zielgruppe geschrieben ist. Viele mythische Elemente wirkten auf mich überzeichnet, manche Ereignisse geradezu surreal brutal, sodass ich mich phasenweise fragte, was ich da eigentlich lese.
Auch der angekündigte feministische Blick auf die Figur blieb für mich überraschend blass. Statt einer vielschichtigen, modern interpretierten Frauenfigur erhielt ich über lange Strecken eine Abfolge von Gewalt, Verrat und Machtspielen, in denen Medeas Perspektive nicht immer den Raum bekam, den ich erwartet hätte. Mehrfach verlor ich den Anschluss und ertappte mich dabei, wie ich am liebsten vorspulen wollte.
Dafür empfand ich das Ende als angenehm konsequent: kein glattgebügeltes Happy End, sondern ein Abschluss, der dem tragischen Kern des Mythos treu bleibt. Dennoch reicht diese Stärke für mich nicht aus, um das Leseerlebnis insgesamt zu retten. Medea war für mich ein kurzer Ausflug in eine fremde Welt, der zwar mit einem starken Beginn lockte, mich aber letztlich nicht überzeugen konnte.