Interessante und komplexe Geschichte mit leider recht unsympathischen Protagonisten

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minjo Avatar

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Während des Zweiten Weltkriegs wird nahe der Lofoten das Hurtigrutenschiff "Prinsesse Ragnhild" mit norwegischen Zivilisten und deutschen Soldaten an Bord scheinbar von einer Mine getroffen und sinkt. Hunderte Menschen kommen ums Leben, so auch der Unternehmer und Reeder Thor Falck. Seine junge Frau, die junge Schriftstellerin Vera Falck, und ihr 3 Monate alter Sohn Olav werden wie durch ein Wunder gerettet. So die offizielle Version...
Fünfundsiebzig Jahre später begeht Vera Selbstmord. Ihre Familie sucht zunächst vergeblich nach dem Testament, welches Vera sich am Tag vor ihrem Tod hat aushändigen lassen. Ihr Sohn Olav, der Patriarch der Familie und Vorsitzender der einflussreichen SAGA-Stiftung, ist besorgt: hat seine Mutter etwa das Testament in letzter Sekunde geändert und den ungeliebten Bergenser Zweig der Familie bedacht? Und wo steckt Vera's Manuskript "Meeresfriedhof", welches nach Fertigstellung in den 70er-Jahren vom norwegischen Staatsschutz beschlagnahmt worden war? Olavs Tochter Alexandra Falck, die bisher immer auf seiner Seite war, ist entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, auch wenn sie sich damit gegen ihren mächtigen Vater stellen muss. Mit Hilfe des Biografen John Omar Berg, der seinerseits mit Olav noch eine Rechnung offen hat, forscht sie nach, was sich vor 75 Jahren tatsächlich ereignet hat und welche Folgen diese Geschehnisse für Vera und ihre Familie hatte...

Zum Buch:
"Meeresfriedhof" ist der erste Teil einer Trilogie um die norwegische Reederfamilie Falck. Der Autor Aslak Nore hat hier historische Fakten wie den Untergang des Hurtigrutenschiffes mit einer fiktiven Story verwoben, die im Kriegsjahr 1940 beginnt und sich im ersten Band bis ins Jahr 2015 erstreckt. Eine der Hauptfiguren, die Schriftstellerin Vera Lind, lernt man hierbei hauptsächlich in den Passagen ihres Manuskripts "Meeresfriedhof" besser kennen, welches in drei Teilen im Buch untergebracht ist. Weitere Hauptfiguren sind Vera's Sohn Olav Falck und seine Tochter Alexandra (Sasha), sowie der Elitekämpfer und Biograf John Omar Berg und Hans Falck, das Familienoberhaupt des Bergenser Familienzweigs. Ein Stammbaum vor dem Prolog hilft zu Beginn, sich mit den familiären Verzweigungen zurechtzufinden. Es geht um deutsche Widerständler im zweiten Weltkrieg, verdeckte Aktionen des norwegischen Geheimdienstes im nahen Osten, Vertuschung und Machtspiele. Die Geschichte braucht aufgrund der komplexen Zusammenhänge und diversen Erzählstränge eine sehr lange Anlaufzeit, bis sich langsam ein Bild ergibt, wohin die Reise gehen könnte. Dennoch ist es eine abwechslungsreiche Reise in verschiedene Regionen, Zeitebenen und Perspektiven

Persönliche Meinung:
Von der Geschichte des deutschen Widerstands im zweiten Weltkrieg, als die Deutschen Norwegen besetzten, bis zu den Kämpfen und den Krisenherden im Nahen Osten ... es fiel mir über weite Strecken schwer, einen roten Faden zu erkennen, der alle Teile logisch miteinander verknüpft. Was mich aber wirklich gestört hat, ist, dass ich zu wirklich keiner Figur eine emotionale Verbindung aufbauen konnte und einige zudem geradezu unsympathisch empfand. Ganz besonders ist es mir mit Sasha (Alexandra Falck) so ergangen, die am Anfang der Geschichte noch die Familie über alles stellt, aber schon beim ersten Zweifel beginnt, gegen ihren Vater zu arbeiten. Das tut sie u.a. mit der Hilfe von John Berg, zu dem sie sich sehr hingezogen fühlt. Zwischendurch lässt sie sich von ihrem Vater wieder in die Spur bringen, nur um kurz darauf wieder in der Vergangenheit weiterzugraben usw. Ihre Persönlichkeit ist sehr ambivalent, auch wenn man am Ende konkret erfährt, was sie wirklich im Schilde führt (was allerdings schon recht früh erkennbar war).
Ich hoffe sehr, dass der Schwerpunkt in den nächsten zwei Bänden auf anderen Familienmitgliedern liegt und die Machenschaften von Olav und Sasha ihnen zum Verhängnis werden. Alleine deshalb würde ich mir vielleicht die Fortsetzung, die im Mai 2025 erscheinen wird, gönnen.
Der Roman war gut geschrieben, aber ganz sicher kein Thriller oder gar ein Pageturner, wie es im Einband versprochen wird. Das Cover ist stimmig zur Geschichte und gefällt mir sehr gut.

Fazit:
Wer gerne komplexe Geschichten um Gedeih und Verderb mächtiger Familien inclusive Spionage und vielen Geheimnissen mag, ist hier sicher richtig. Man braucht aber etwas Durchhaltevermögen, da es erst im letzten Drittel wirklich interessant wird.